Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Mitwirkungspflichten. auf Dritte bezogene Auskünfte. Bedarfsgemeinschaft. Partnereinkommen. Versagung. Isolierte Anfechtungsklage. Beweismittel. Hinreichend bestimmter Hinweis
Leitsatz (amtlich)
Zu den Mitwirkungspflichten nach § 60 Abs 1 SGB I gehören uU auch Auskünfte bzw Angaben, die einen Dritten betreffen, soweit dies für die Gewährung von Leistungen von Bedeutung ist. Diese Pflicht geht jedoch nicht dahin, Beweismittel von dem Partner oder sonstigen Dritten zu verschaffen.
Normenkette
SGB I § 66 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, § 60 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1, 3; SGB II § 7 Abs. 3 Nr. 3 c), § 9 Abs. 2 S. 1, § 40 Abs. 8
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20. Juli 2015 sowie der Bescheid des Beklagten vom 11. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. April 2015 aufgehoben.
Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte in der Zeit vom 1. März bis 31. Mai 2015 zu Recht Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) wegen fehlender Mitwirkung versagt hat.
Die 1987 geborene Klägerin, p. Staatsangehörige, beantragte beim Beklagten erstmals am 17. Februar 2014 (Formantrag vom 17. März 2014) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Sie gab dabei u.a. an, mit einer weiteren Person in einer Haushaltsgemeinschaft zu leben. In der dem schriftlichen Antrag beigefügten “Erklärung Wohnsituation ALG II„ (Blatt 25 der Verwaltungsakten) teilte sie u.a. mit, ab März 2014 bei ihrem “Freund„ - dem am 2. Dezember 1989 geborenen S. D. (zukünftig nur S.D.) - als Untermieterin (vgl. den Untermietvertrag vom 1. März 2014 ≪Blatt 33 der Verwaltungsakten≫) zu wohnen. In der Anlage “VE„ zum Leistungsantrag (Blatt 59 der Verwaltungsakten) begründete sie, warum nach ihrer Meinung keine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft mit S.D. vorliege. Beigefügt war auch die Erklärung des S.D. (Blatt 61 der Verwaltungsakten), dass er nicht bereit sei, seine Ausgaben/Einnahmen gegenüber dem Beklagten offenzulegen. Mit Bescheid vom 25. April 2014 bewilligte der Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Juli 2014 vorläufig - wegen Einkommen der Klägerin aus selbstständiger Tätigkeit - Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Auf den Weitergewährungsantrag der Klägerin vom 31. Juli 2014, in dem die Klägerin angab, dass sie (weiterhin) in einer Wohngemeinschaft mit S.D. lebe, gewährte ihr der Beklagte mit Bescheid vom 4. August 2014 erneut SGB II-Leistungen (Leistungszeitraum: 1. August 2014 bis 31. Januar 2015). Im September 2014 bekräftigte die Klägerin gegenüber dem Beklagten, dass sie mit ihrem “Lebenspartner„ S.D. zwar zusammenlebe, eine gegenseitige Unterstützung jedoch nicht stattfinde, sondern alles “finanziell getrennt„ sei (vgl. den Aktenvermerk des Beklagten vom 11. September 2014 ≪Blatt 246 der Verwaltungsakten≫). Auf den klägerischen Weiterbewilligungsantrag vom 8. Januar 2015 für die Zeit ab dem 1. Januar 2015 bewilligte ihr der Beklagte zunächst mit Bescheid vom 30. Januar 2015 für den Monat Februar 2015 SGB II-Leistungen. Mit Schreiben vom selben Tag (Blatt 323 der Verwaltungsakten) gab der Beklagte der Klägerin zwecks Anspruchsprüfung für die Zeit ab März 2015 respektive zwecks Prüfung, ob die Klägerin mit S.D. eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft i.S.d. § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II bilde, auf, bis zum 20. Februar 2015 folgende Unterlagen vorzulegen: die vollständig ausgefüllte Anlage “VE„ nach amtlichem Vordruck, den Personalausweis, die “Krankenkassenkarte„, die “Bankkarte„ und eine aktuelle Anmeldebestätigung des S.D., die Anlagen “WEP„, “EK„ und “VM„ nach amtlichem Vordruck “für Herrn D. ausgefüllt und von Ihnen unterschrieben„, den Arbeitsvertrag sowie eine vollständig ausgefüllte Einkommensbescheinigung vom Arbeitgeber des S.D. bzw. - bei Beschäftigungslosigkeit - Nachweise zu dessen aktuellem Einkommen, Lohnabrechnungen der letzten sechs Monate des S.D. sowie sämtliche Nachweise zum Vermögen des S.D., namentlich z.B. lückenlose Kontoauszüge der letzten drei Monate, ein “aktualisiertes„ Sparbuch, den aktuellen Stand des Bausparvertrags usw. Die Mitwirkungsaufforderung schloss u.a. mit dem Passus, dass bei fruchtlosem Fristablauf “Geldleistungen ganz versagt werden können„. Am 9. Februar 2015 legte die Klägerin sodann die von ihr ausgefüllte Anlage “VE„ vom 5. Februar 2015 vor (Blatt 325 der Verwaltungsakten), in der sie angab, mit S.D. seit mehr als einem Jahr in einem gemeinsamen Haushalt zu leben. Sie begründete zudem - zusammen mit S.D. -, warum ihrer Meinung nach keine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft vorliege und legte die “Kostenbeteiligungsvereinbarung„ vom 28. Februar 2014 (Blatt 327 der Verwaltungsakten) vor. Mit Schreiben vom 5. Februar 2015 (Blatt 329 der Verwaltungsakten) - beim Beklagten ebenfalls am 9. Februar 2015 eingega...