Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld. Zuordnung zur Leistungsgruppe. Lohnsteuerklassenwechsel zwischen Ehegatten. Zweckmäßigkeitsprüfung

 

Orientierungssatz

Der eindeutige Wortlaut des § 137 Abs 4 S 1 Nr 2 SGB 3 lässt die Durchführung einer Zweckmäßigkeitsprüfung beim Lohnsteuerklassenwechsel der Ehegatten nicht mehr zu.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 29.08.2002; Aktenzeichen B 11 AL 31/02 R)

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) und die Rückforderung gezahlter Leistungen.

Der 1976 geborene Kläger, türkischer Staatsangehöriger, meldete sich am 12.3.1998 mit Wirkung zum 1.4.1998 beim Arbeitsamt L (AA) arbeitslos und beantragte Alg. Im Antrag gab er an, seit Juli 1997 verheiratet zu sein. Zu Jahresbeginn sei auf seiner Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse III eingetragen. Die Eintragung sei im Laufe des Jahres nicht geändert worden.

Das AA bewilligte dem Kläger Alg ab 1.4.1998 mit einer Anspruchsdauer von 364 Tagen in Höhe von DM 467,25 wöchentlich (Bemessungsentgelt DM 1.160,00; Leistungsgruppe C; Kindermerkmal 0; Leistungstabelle 1998; Leistungssatz 60%; Bescheid vom 22.4.1998). Ab 1.1.1999 betrug der wöchentliche Leistungssatz infolge der Anpassung an die Leistungstabelle 1999 DM 473,34 (Bescheid vom 12.1.1999). Alg wurde bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 30.3.1999 gezahlt. Für die Monate Mai 1998 und Juni 1998 wurde Nebeneinkommen angerechnet.

Mit einem unter dem 2.2.1999 unterzeichneten Formantrag beantragte der Kläger Arbeitslosenhilfe (Alhi). Im Antrag gab er an, zu Jahresbeginn sei auf seiner Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse V eingetragen. Die Eintragung sei im Laufe des Jahres nicht geändert worden. Auf Anforderung des AA legte der Kläger die Lohnsteuerkarte 1998, die am 20.9.1997 ausgestellt worden war, auf der die Lohnsteuerklasse III eingetragen ist und vermerkt ist, am 6.5.1998 sei mit Wirkung zum 1.6.1998 eine Änderung in Lohnsteuerklasse V erfolgt. Er legte des Weiteren die Lohnsteuerkarte 1999 vor, die am 20.9.1998 ausgestellt worden war, auf der die Lohnsteuerklasse V eingetragen und vermerkt ist, am 30.4.1999 sei mit Wirkung zum 1.5.1998 eine Änderung in Lohnsteuerklasse III erfolgt. Er gab er an, seine Ehefrau habe einen Brutto-Arbeitslohn von DM 996,02.

Das AA teilte dem Kläger mit, dass es die Aufhebung der Bewilligung von Alg zu prüfen habe und gab ihm Gelegenheit zur Äußerung. Der Kläger gab an, nicht gewusst zu haben, dass sich die Lohnsteuerklasse auf seine Leistungen auswirke.

Mit dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 24.6.1999 hob das AA die Bewilligung von Alg ab 1.6.1998 teilweise auf und forderte die Erstattung eines Betrages in Höhe von DM 5.285,16 (gezahltes Alg für die Zeit vom 1.6.1998 bis 30.3.1999 in Höhe von DM 7.987,76 abzüglich einer sich noch ergebenden Nachzahlung in Höhe von DM 2.702,60). Des Weiteren teilte es mit, dass vom Leistungsanspruch künftig DM 12,29 täglich aufgerechnet würden, bis die Forderung beglichen sei. Den Widerspruch des Klägers wies die Widerspruchsstelle des AA zurück (Widerspruchsbescheid vom 16.9.1999). Zur Begründung führte sie unter Verweis auf § 137 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Nr. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) aus, der Steuerklassenwechsel des Klägers von III auf V sei nicht zweckmäßig gewesen. Bei Zuordnung zur Leistungsgruppe D (= Steuerklasse V), allgemeiner Leistungssatz habe das wöchentliche Alg im Jahre 1998 gemäß der Leistungsverordnung 1998 DM 285,74 betragen. Da dieser Leistungssatz geringer sei als die Höhe des wöchentlichen Alg auf Grund der Zuordnung zur Leistungsgruppe C (DM 467,25), sei der Steuerklassenwechsel zu berücksichtigen gewesen. Den Wechsel der Steuerklassen habe der Kläger dem AA nicht mitgeteilt. Über seine Mitwirkungspflichten sei er durch das Merkblatt für Arbeitslose, dessen Empfang und Kenntnisnahme er durch Unterschrift bestätigt habe, unterrichtet worden.

Der Kläger hat am 18.10.1999 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben und geltend gemacht, § 137 Abs. 4 Nr. 2 SGB III könne nicht so ausgelegt werden, dass generell ein Wechsel der Steuerklassen anerkannt werde, wenn sich der Arbeitslose dadurch schlechter stelle. Es sei nach wie vor Sinn des Gesetzes, den Wechsel der Steuerklassen anzuerkennen, der sich in der Gesamtschau für die Eheleute günstiger darstelle. Objektiv sei der Wechsel der Steuerklasse nicht geboten gewesen, weil seine Ehefrau damals nur ein kleines Gehalt als Lehrling bezogen habe. Auch habe er nicht gewusst, dass die Höhe der Leistung von der Steuerklasse abhänge.

In der mündlichen Verhandlung des SG am 29.11.2000 hat die Beklagte den Bescheid vom 24.6.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.9.1999 insoweit aufgehoben, als die Aufrechnung in Höhe von DM 12,29 täglich erklärt worden ist. Dieses Teilanerkenntnis hat der Kläger angenommen.

Mit Urteil vom 29.11.2000 hat das SG die Klage abgewiesen. Das SG hat auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Der Steuer...

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