Entscheidungsstichwort (Thema)
Kinderzuschlag. Anspruchsberechtigung. türkischer Staatsangehöriger. Leistungsausschluss für Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG. Assoziierungsabkommen EWG-Türkei. Beschluss des Assoziationsrates 3/80. soziale Sicherheit. Diskriminierungsverbot. sachlicher Geltungsbereich. Familienleistung. aufenthaltsrechtlicher Status. Aufenthaltserlaubnis. Duldung
Orientierungssatz
1. Der Anspruch auf Kinderzuschlag nach § 6a BKGG 1996 setzt voraus, dass durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB 2 vermieden wird. Dies ist nicht der Fall, wenn der Antragsteller als Leistungsberechtigter nach dem AsylbLG gemäß § 7 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB 2 von Leistungen nach dem SGB 2 ausgenommen ist. Der Leistungsausschluss ist verfassungsgemäß (vgl BSG vom 15.12.2010 - B 14 KG 1/09 R = juris RdNr 14 und vom 14.6.2018 - B 14 AS 28/17 R = SozR 4-4200 § 7 Nr 56 = juris RdNr 31 ff).
2. Zur Frage, ob türkische Staatsangehörige, die in Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Duldung sind, über das sozialrechtliche Diskriminierungsverbot des Art 3 Abs 1 des Beschlusses Nr 3/80 des Assoziationsrates vom 19.9.1980 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften auf die türkischen Arbeitnehmer und auf deren Familienangehörige (ARB 3/80; juris: EWGAssRBes 3/80) die Gewährung von Kinderzuschlag beanspruchen können.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts S. vom 21. September 2017 abgeändert.
Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 19. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. April 2012 verurteilt, dem Kläger für den Monat Juni 2013 Kinderzuschlag in Höhe von 360,00 Euro zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Berichtigt: “Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Klage abgewiesen“.
Die Beklagte trägt ein Drittel der außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Kinderzuschlag nach § 6a Bundeskindergeldgesetz (BKGG) für die Monate Dezember 2011 und Juni 2013 für die Kinder des Klägers N. (geboren in 1989), Y. H. (geboren in 1991), F. (geboren in 1992), M. (geboren in 1995), E. (geboren in 1998) und S. (geboren in 2007) streitig.
Der Kläger und seine Ehefrau gehören zur Volksgruppe der M., welche in den kurdischen Gebieten in der T., in S. und im L. gesiedelt haben, wegen Verfolgung und Bürgerkrieg jedoch immer wieder ihre Siedlungsgebiete wechselten. Sie kamen - damals als l. Staatsangehörige bzw. Staatenlose (Bescheinigung der Republik des L. vom 4. Dezember 1998 (Bd. II Bl. 139 der beim Ausländeramt des Landratsamts R. geführten Ausländerakte des Klägers)) - aus dem L. im August 1989 in die Bundesrepublik Deutschland. Ihnen wurde nach erfolglosem Asylantrag am 2. Mai 2000 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis (Bd. II Bl. 119 Ausländerakte) bzw. am 23. März 2006 (Bd. II Bl. 86 Ausländerakte) eine unbefristete Niederlassungserlaubnis erteilt; die zum damaligen Zeitpunkt bereits geborenen Kinder waren im Besitz von Aufenthaltserlaubnissen.
Im Jahr 2006 gelangten t. Geburtsregisterurkunden zur Kenntnis der Beklagten, wonach der Kläger und seine Ehefrau in der T. geboren sind und die t. Staatsangehörigkeit besitzen. Auf der Grundlage eines zuvor geschlossenen Vergleichs (vgl. Bd. V Bl. 206 Ausländerakte) verfügte das Landratsamt R. mit Beschluss vom 31. Mai 2011, dass bei allen Familienangehörigen des Klägers die erteilten Aufenthaltstitel auf den Tag ihrer Erteilung zurückgenommen, der Kläger und seine Ehefrau aus dem Bundesgebiet ausgewiesen werden und die Abschiebung für die Dauer von 18 Monaten ausgesetzt wird. Den Kindern des Klägers wurde die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG ) zugesichert für den Fall der Vorlage t.r Reisepässe. Dem Kläger und seiner Ehefrau wurde die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG nach Ablauf von 18 Monaten in Aussicht gestellt. Am 16. September 2011 wurde dem Kläger eine Duldung bis zum 15. Dezember 2011 ausgestellt (Bd. V Bl. 170 Ausländerakte) und sodann mehrmals bis zum 10. März 2013 verlängert, zuletzt mit Verfügung vom 6. Dezember 2012 (Bd. V Bl. 86 Ausländerakte). Die Duldungen enthielten jeweils folgende Nebenbestimmungen: „Selbständige Erwerbstätigkeit nicht gestattet. Unselbständige Beschäftigung uneingeschränkt erlaubt“. Nachdem der Kläger am 6. September 2012 einen t.n Pass vorgelegt hatte, wurde ihm am 31. Januar 2013 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG ausgestellt (Bd. V Bl. 74 Ausländerakte). Am 1. März 2018 wurde dem Kläger eine unbefristete Niederlassungserlaubnis nach § 9 AufenthG erteilt (Bd. VI Bl. 13 Ausländerakte).
Mit Bescheid vom 27. Juli 2011 lehnte das Jobcenter R. den ...