Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 2301. arbeitstechnische Voraussetzung. Gesundheitsstörung. Lärmschwerhörigkeit. Lärmexposition. weitere Amtsermittlung. unsubstantiierter Beweisantrag. Ausforschungsbeweis

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die erforderliche Substantiierung eines Beweisantrags erfordert, dass sich dieser auf notwendige Anknüpfungstatsachen stützt.

2. Für die Anerkennung einer BK 2301 ist erforderlich, dass sich die Lärmschwerhörigkeit während der Lärmexposition entwickelt.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 8. März 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung der Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2301 (Lärmschwerhörigkeit - im Folgenden BK 2301) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) streitig.

Der 1956 geborene Kläger war eigenen Angaben zufolge vom 1. September 1971 bis 28. Februar 1975 als Auszubildender und nach bestandener Prüfung beim Ausbildungsbetrieb, dem Autohaus K. P. in S., bis 31. März 1976 als Kfz-Mechaniker beschäftigt. Anschließend war er bis 30. Juni 1976 arbeitslos und leistete vom 1. Juli 1976 bis 20. Juni 1977 seinen Wehrdienst ab. Seit dem 17. November 1977 ist er bei der Firma A. AG in N. als Kfz-Mechaniker beschäftigt.

Am 25. Januar 1989 und 9. Januar 1992 wurden Tonaudiogramme von dem damals behandelnden Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde (HNO) Dr. H. durchgeführt (Bl. 168 SG-Akte), die jeweils keine Hochtonsenke bei 4 kHz zeigten (vgl. Gutachten Prof. Dr. Dr. Sch. vom 10. Dezember 2010 und Anhörung Prof. Dr. H. vom 8. März 2012). Bei normalem Hörvermögen (ergänzende Stellungnahme Prof. Dr. Dr. Sch. vom 11. Mai 2011) leidet der Kläger seit 2007 an einer annähernd symmetrischen Innenohrschwerhörigkeit beidseits und ist seit 2009 mit digitalen Hörgeräten versorgt.

Der Facharzt für HNO Dr. Sch. zeigte der Beklagten am 14. April 2008 den Verdacht auf eine seit 6 Monaten aufgetretene BK in Form einer Lärmschwerhörigkeit (Innenohrhochtonschwerhörigkeit) an. Auf Nachfrage teilte der Kläger mit, seit ca. 5 Jahren an Ohrgeräuschen (ununterbrochenes Pfeifen, teilweise durchgehend), das sich insbesondere beim Einschlafen bemerkbar mache, zu leiden (Auskunft vom 21. April 2008, Bl. 20 f V-Akte). Der Betriebsarzt der A. AG, Arbeitsmediziner Dr. S., führte aus, dass der Kläger bis 9. April 2008 als Fertigungsfachkraft, Betriebsteil Montage-AG Plattenband 3, eingesetzt worden sei. Einstellungs- bzw. Personal- oder Vorsorgeuntersuchungen seien nicht durchgeführt worden. Die A. AG ergänzte, dass der Kläger bei der elektrischen Sicht- und EKOS-Prüfung und dem Einbau von Rückleuchten eingesetzt worden sei und dabei mit Luftschraubern gearbeitet habe.

Der Präventionsdienst der Beklagten (PD) ermittelte auf der Basis der von der A. AG mitgeteilten beruflichen Lärmeinwirkung wie der klägerischen Angaben, dass der Kläger bei Gebrauch von Schlagschraubern während seiner Lehre einem Lärm von 86 dB(A) und als Geselle von 88 dB(A) ausgesetzt gewesen sei. Vom 17. November 1976 bis 30. Juni 1984 habe die Exposition unter Einsatz von Schraubmaschine, Schrauber und kleinem Luftschrauber bei der Montage des A. 100 in der Halle B 16 84 dB(A) betragen. Ab 1. Juli 1984 bis 9. März 2008 sei der Kläger in der Fertigung des A. A6 mit Schraubmaschine, Schrauber und kleinem Luftschrauber in der Halle A 13 einem Lärm von 83 dB(A) ausgesetzt worden. Ab 10. März 2008 betrage die Lärmbelastung in der Halle A 14 bei der Montage des A. A4 74 dB(A).

Mit Bescheid vom 7. August 2008 lehnte die Beklagte daraufhin die Anerkennung der BK 2301 mit der Begründung ab, der Kläger sei allenfalls während seiner Tätigkeit als Kfz-Mechaniker bei der Firma K. P. von 1971 bis 1976 einer relevanten Lärmbelastung ausgesetzt gewesen. Diese sei aber aufgrund ihrer kurzen zeitlichen Dauer nach arbeitsmedizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht geeignet, eine Hörstörung des vorliegenden Ausmaßes hervorzurufen.

Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, er sei seit November 1977 an unterschiedlichen Arbeitsplätzen innerhalb der Firma eingesetzt worden, bei denen auch der Geräuschpegel unterschiedlich laut gewesen sei. Er listete hierzu seine ausgeführten Tätigkeiten in den Hallen B 16, A 13 und A 14 auf und teilte ergänzend mit, nach über dreißigjähriger Betriebszugehörigkeit wisse er nicht mehr die Zeiträume der Lärmbelastung, die Namen der Maschinen, an denen er gearbeitet habe, und die Arbeitszeiten (Schreiben vom 10. Oktober 2008). Er legte ferner ein Attest von Dr. Sch. vom 11. Dezember 2008 vor, wonach das Tonaudiogramm eine klassische Lärmschwerhörigkeit aufweise. Die Forderung des Nachweises einer beruflichen Exposition von 85 dB(A) sei retroperspektiv nicht möglich.

Mit Widerspruchsbescheid vom 5. März 2009 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, auch aus ...

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