Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Verletztenrente -Erhöhung gem § 57 SGB 7. keinerlei Erwerbsfähigkeit. volle Erwerbsminderung gem § 43 Abs 2 S 2 SGB 6
Leitsatz (amtlich)
Dass ein Versicherter infolge eines Versicherungsfalls (hier Arbeitsunfall) einer Erwerbstätigkeit nicht mehr nachgehen kann, erfordert, dass keinerlei Erwerbstätigkeit mehr möglich ist; dafür ist selbst die volle Erwerbsminderung iSd § 43 Abs 2 S 2 SGB 6 nicht ausreichend.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts U. vom 14. April 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin infolge eines Arbeitsunfalls einer Erwerbstätigkeit nicht mehr nachgehen kann und deshalb einen Anspruch auf eine Rentenerhöhung hat.
Die 1945 geborene Klägerin erlitt am 12.06.2002 einen ersten Arbeitsunfall, als ihr ein Patient den linken Daumen umbog. In der Folgezeit litt sie an Angst und depressiver Störung gemischt. Es bestand eint Tranquilizermissbrauch, als sie die Arbeit bei Arbeitsplatzkonflikten wieder aufnahm. Der Sachverständige Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. sah aufgrund der Konflikte am Arbeitsplatz die dokumentierte psychische Symptomatik als nicht dem Arbeitsunfall 2002 zurechenbar an (dazu siehe unten). Ab Sommer 2004 konnte sie wieder vollschichtig arbeiten. In den frühen Morgenstunden des 24.11.2004 erlitt sie im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit als Krankenschwester im Psychiatrischen Krankenhaus Z. einen weiteren Arbeitsunfall, indem sie von einem Patienten, den sie wegen unerlaubten Rauchens ermahnt hatte, auf brutalste Weise zusammengeschlagen wurde, der er ihren Kopf auf den Fußboden schlug und auf sie eintrat. Die Klägerin wurde sodann in der Chirurgischen Klinik R. stationär behandelt. Diagnostiziert wurden eine massive Gesichtsschädelprellung mit medialen Orbitarandfrakturen beidseits, eine Nasenbeinfraktur, eine Hämatosinus sphenoidalis und eine Commotio cerebri (Arztbrief des Dr. B. vom 29.11.2004).
Am 22.09.2006 kam es durch die Doppelbilder zu einem Sturz der Klägerin beim Treppensteigen mit Verletzung des linken Arms und Subluxation im Ellenbogengelenk mit verbleibender schmerzhafter Funktionseinschränkung, so dass unter Berücksichtigung dieser weiteren Gesundheitsstörungen eine Berentung und die Einschätzung dieser mittelbaren Unfallfolgen mit einer MdE von 30 angenommen wurde (Gutachten von Dr. St., dazu siehe unten).
Die Beklagte holte diverse Gutachten ein. Prof. Dr. G., Leiter der Abteilung Augenheilkunde des Bundeswehrkrankenhauses U., beschrieb in seinem Gutachten vom 30.11.2006 als Unfallfolgen eine permanente Wahrnehmung von Doppelbildern beim beidäugigen Sehen durch einen Tieferstand des rechten Auges, verstärkt durch die Schwäche des Muskulus obliquus inferior und des Muskulus rectus superior rechts sowie des Muskulus rectus inferior links, eine unterschiedliche Pupillenweite, eine herabgesetzte Hornhautsensibilität rechts, ein Überlastungsgefühl sowie gelegentliche Schmerzen der Augen und schätzte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit 30 vom Hundert (v. H.) ein. Ferner führte der Gutachter aus, die Klägerin sei seit dem Arbeitsunfall arbeitsunfähig. Die Doppelbilder mit dem Verlust des räumlichen Sehens belasteten sie bereits im häuslichen Alltag sehr, so dass sie auf die Hilfe ihres Ehegatten angewiesen sei. Derzeit sei eine Aussicht auf Besserung der Erwerbsfähigkeit durch eine Umstrukturierung des Arbeitsplatzes oder eine Umschulungsmaßnahme nicht gegeben. Prof. Dr. Dr. W., Ärztlicher Direktor der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, führte in seinem Gutachten vom 07.03.2007 aus, mit der Rekonstruktion der knöchernen Orbita seien die Unfallfolgen auf mund-kiefer-gesichtschirurgischem Fachgebiet wiederhergestellt. Weitere Unfallfolgen auf diesem Fachgebiet bestünden nicht. Aus mund-, kiefer- und gesichtschirurgischer Sicht bestehe keine MdE. Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W., Ärztlicher Direktor der Klinik für Neurologie und Neurologische Rehabilitation im Bezirkskrankenhaus G., führte in seinem Gutachten vom 16.03.2007 aus, in den Monaten nach dem Arbeitsunfall sei es zu einer ausgeprägten depressiven Symptomatik mit Konzentrations- und Antriebsstörungen, innerer Unruhe, sozialem Rückzug, Suizidgedanken und erheblichen Schlafstörungen gekommen. Dies sei als Verschlechterung einer bereits vorbestehenden depressiven Entwicklung seit 2002 zu werten. Eine posttraumatische Belastungsstörung liege nicht vor. Die Klägerin sei davon überzeugt, nie wieder arbeitsfähig zu werden. In seiner ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme vom 09.04.2007 führte Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. W. aus, psychische Folgen des Arbeitsunfalles lägen nicht vor, so dass über eine allenfalls vorübergehende Verschlimmerung hinaus psychoreaktive Folgen des Arbeitsunfalls auszuschließen seien. Der Hals-Nasen-Ohren-Arzt Dr. K. beschrieb in seinem Gutachten vom 19.07.2007 als Unfall...