Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenübernahme bzw Kostenerstattung einer geschlechtsangleichenden Operation
Orientierungssatz
Bei bestehender Transsexualität besteht die Indikation für eine geschlechtsangleichende Operation erst dann, wenn sich eine solche Behandlung als einziges Mittel darstellt, eine Linderung bzw Beseitigung der Beschwerden herbeizuführen (vgl BSG vom 06.08.1987 - 3 RK 15/86 = BSGE 62, 83 = SozR 2200 § 182 Nr 106). In diesem Sinne hat das BSG in seiner Entscheidung vom 10.02.1993 - 1 RK 14/92 = BSGE 72, 96 = SozR 3-2200 § 182 Nr 14 ausgeführt, dass die Tragung der Kosten für eine geschlechtsangleichende Operation nur dann zu den Aufgaben der gesetzlichen Krankenkasse gehöre, wenn psychiatrische und psychotherapeutische Mittel das Spannungsverhältnis zwischen körperlichem Geschlecht und seelischer Identifizierung nicht zu lindern oder zu beseitigen vermögen.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Mai 2002 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung der Kosten für eine geschlechtsangleichende Operation (Mann-zu-Frau) streitig.
Die am 1969 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie wurde mit den körperlichen Merkmalen eines Mannes geboren, fühlte sich jedoch seit ihrem Jugendalter zunehmend dem weiblichen Geschlecht zugehörig. Aufgrund eines Antrags gemäß § 1 des Transsexuellengesetzes (TSG) aus dem Jahr 1999 änderte das Amtsgericht (AG) Karlsruhe den bisher geführten männlichen Vornamen in den Namen “T.„.
Im Dezember 1999 beantragte die Klägerin die Übernahme der Kosten für eine geschlechtsangleichende Operation. Sie legte den Kostenvoranschlag der für geschlechtsangleichende Maßnahmen gemäß § 108 Nr. 3 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) zugelassenen Chirurgischen Privatklinik M.-B. (im Folgenden: Klinik) sowie deren Informationsschreiben vom 23. Juli 1999 vor, ferner die auf Veranlassung des AG K. im Rahmen des Antragsverfahrens gemäß § 1 TSG veranlassten Gutachten des Dr. S., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie in der Psychiatrischen Klinik und Poliklinik des Klinikums der Johannes Gutenberg-Universität M., vom 25. November 1999 und der klinischen Psychologin D.-M., L. Praxis für psychologische Gesundheitsförderung und Sexualpädagogik, vom 19. November 1999. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK), wobei Dr. M. ausweislich seiner Stellungnahme vom 28. Dezember 1999 die Kostenübernahme nicht befürwortete. Zur Begründung führte er aus, nach den Richtlinien der Spitzenverbände der Krankenkassen für die Beurteilung einer Operationsindikation bei Transsexualität seien neben der Überprüfung der Diagnose folgende Kriterien zu erfüllen: Der Therapeut kennt den Patienten mindestens seit 1 1/2 Jahren, der Patient hat das Leben in der gewünschten Geschlechtsrolle mindestens seit 1 1/2 Jahren kontinuierlich im sogenannten Alltags-Test erprobt, der Patient wird seit mindestens einem halben Jahr hormonell behandelt. Nachdem die Klägerin sich erst seit einem halben Jahr im Alltags-Test und in psychotherapeutischer Behandlung befinde, bestehe noch keine Indikation zur Durchführung der begehrten Operation. Dr. M. empfahl daher eine Wiedervorlage der Unterlagen in einem Jahr, und zwar mit einem ergänzenden gutachtlichen Bericht der Psychologin sowie einer Stellungnahme zum Verlauf der psychotherapeutischen Begleitung und des Alltags-Tests.
Mit Bescheid vom 30. Dezember 1999 lehnte die Beklagte den Antrag, gestützt auf die Ausführungen des Dr. M., ab. Im Widerspruchsverfahren veranlasste die Beklagte die weitere Stellungnahme des Dr. M.-J., MDK, vom 24. Januar 2000, der die beantragte Kostenübernahme gleichfalls nicht befürwortete. Er verwies auf die Standards der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung, der Akademie für Sexualmedizin und der Gesellschaft für Sexualwissenschaft zur Behandlung und Begutachtung von Transsexuellen, nach denen vor der Einleitung somatischer Therapiemaßnahmen in jedem Fall eine längere psychotherapeutische Begleitung stehen müsse. Nach dem vorliegenden Gutachten werde eine derartige Betreuung jedoch erst seit dem 01. Juli 1999 durchgeführt. Zudem liege kein ärztliches Gutachten zur Frage der Operationsindikation vor, nachdem das Gutachten des Dr. S. ausdrücklich nur zur Vornamensänderung, nicht aber für die operative Geschlechtsangleichung verfasst worden sei.
Mit Bescheid vom 25. Januar 2000 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin daraufhin erneut ab. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, ohne diesen zu begründen. Mit Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten gebildeten Widerspruchsausschusses vom 03. April 2000 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Dagegen erhob die Klägerin am 05. Mai 2000 beim Sozi...