Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenerstattung. deutscher Rentner mit Wohnsitz in Frankreich. Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit. Leistungen bei Krankheit. Nichtvorliegen eines Sachleistungsanspruchs nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats. Inanspruchnahme stationärer bzw ambulanter ärztlicher Leistungen nach französischem Recht. Selbstbeteiligung. kein Erstattungsanspruch gegen deutsche Krankenkasse
Leitsatz (amtlich)
Deutsche Altersrentner, die ihren Wohnsitz in Frankreich haben und dort nach den Regelungen des französischen sozialen Sicherungssystems gegen Krankheit nach Inanspruchnahme stationärer bzw ambulanter ärztlicher Leistungen eine Selbstbeteiligung zu tragen haben, haben keinen Anspruch auf Erstattung dieser (Selbstbeteiligungs-)Kosten gegen ihre deutsche gesetzliche Krankenkasse.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 8. Februar 2019 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung für eine Krankenbehandlung in Frankreich in Höhe der Selbstbeteiligung von 931,19 €.
Die am 1947 geborene Klägerin bezieht eine Altersrente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. Seit 1. November 2007 war sie bei der Beklagten in der Krankenversicherung der Rentner versichert. Ihren alleinigen Wohnsitz hat sie nach eigenen Angaben seit dem Jahr 2008 in V.-sur-L. in Frankreich. Seit dem 1. Mai 2012 ist sie nach eigenen Angaben nach Vorlage des Vordrucks „E 121“ beim französischen Träger der Krankenversicherung, der Caisse primaire d’assurance maladie (CPAM), als Migrant eingetragen.
Mit Schreiben vom 5. Oktober 2016 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Erstattung von 931,19 €. Zur Begründung führte sie aus, sie habe sich wegen eines Sturzes im eigenen Haushalt im Juni 2016 einer Notoperation unterziehen müssen, bei der ihr ein künstliches Hüftgelenk eingesetzt worden sei. Im Zusammenhang mit dieser Operation seien ihr zwischen dem 10. Juni und dem 20. September 2016 Kosten in Höhe von insgesamt 931,19 € entstanden, die von der CPAM nicht erstattet worden seien (vgl. Bl. 12 der SG-Akte). Die in Frankreich in Anspruch genommenen Leistungen der Krankenbehandlung müsse sie zunächst selbst in voller Höhe oder anteilig bezahlen. Der französische Leistungserbringer melde den Vorgang an die CPAM, die ihr die entstandenen Kosten in Höhe bestimmter Prozentsätze erstatte. Die von ihr zu tragenden Kosten einer Krankenbehandlung setzten sich aus den an die französischen Leistungserbringer gezahlten Eigenanteilen (z.B. 20 Prozent bei stationären Behandlungen, 30 Prozent bei ambulanten Behandlungen, 35 Prozent bei Medikamenten, 40 Prozent bei Laboruntersuchungen) und der von der CPAM in Abzug gebrachten Selbstbeteiligung zusammen. Zum Nachweis des geltend gemachten Erstattungsbetrags von 931,19 € legte die Klägerin mehrere Rechnungen vor: für den Krankentransport am 10. Juni 2016 (32,06 €), für ärztliche Leistungen am 10. Juni 2016 (24,44 €), für die Tagespauschalen im Krankenhaus vom 10. bis 20. Juni 2016 (198,00 €), für die Tagepauschalen in einer Rehabilitationseinrichtung vom 20. Juni bis 1. Juli 2016 (454,00 €); für insgesamt 15 Besuche durch Krankenschwestern vom 2. bis 16. Juli 2016 (132,62 €, davon wurden der Klägerin nach ihren Angaben 70,08 € durch die CPAM erstattet), für Maßnahmen der Physiotherapie vom 6. Juli bis 26. August 2016 (193,56 €, davon wurden der Klägerin nach ihren Angaben 110,16 € durch die CPAM erstattet), für zwei Laboruntersuchungen am 8. und 14. Juli 2016 (insgesamt 8,86 €), für eine Eigenbeteiligung an den Gesundheitskosten am 10. August 2016 (8,40 €), für eine ärztliche Leistung am 24. August 2016 (12,50 €), für zwei Röntgenuntersuchungen am 6. und 13. September 2016 (insgesamt 93,38 €, davon wurden der Klägerin nach ihren Angaben 63,37 € durch die CPAM erstattet) und für eine Laboruntersuchung am 20. September 2016 (17,33 €). Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 12. Oktober 2016 mit, dass im Ausland zu tragende Eigenanteile für die Krankenbehandlung nicht erstattungsfähig seien. Die Klägerin entgegnete mit Schreiben vom 18. Oktober 2016, es gebe keinen Grund, ihr nicht die gleichen finanziellen Leistungen wie einem in Deutschland lebenden Versicherten zukommen zu lassen.
Mit Bescheid vom 10. November 2016 lehnte die Beklagte die Erstattung der von der Klägerin geleisteten Eigenanteile in Höhe von 931,19 € ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin erhalte in Frankreich nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 alle Sachleistungen von dem für ihren Wohnort zuständigen französischen Träger der Krankenversicherung. Gemäß dieser Verordnung seien nicht die in Deutschland, sondern die in Frankreich geltenden Regelungen für die Inanspruchnahme von Leistungen anzuwenden. Die Erstattung der Selbstbeteiligung an den Kosten einer Krankenbehandlung komme demnach nicht in Betracht. G...