Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziales Entschädigungsrecht. Soldatenversorgung. freiwillig Wehrdienstleistender. Wehrdienstbeschädigung. posttraumatische Belastungsstörung. Abgrenzung zu anderen psychischen Erkrankungen. ursächlicher Zusammenhang. bereits zuvor bestehende Persönlichkeitsstörung. Versorgungskrankengeld. Arbeitsunfähigkeit bei Beendigung des Wehrdienstes. letzte dienstlich verrichtete Tätigkeit. Stabsdienst und Militärkraftfahrer keine "Erwerbstätigkeiten". Maßgeblichkeit der Fähigkeit zu leichten Tätigkeiten auf dem Arbeitsmarkt. keine Bindung der Krankenkasse bzw des Gerichts an ein ärztliches Attest der Arbeitsunfähigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Die Arbeitsunfähigkeit eines Freiwillig Wehrdienstleistenden, der als Stabsdienstsoldat und Militärkraftfahrer eingesetzt war, orientiert sich nach dem Ende der Bundeswehrzeit nur dann an der dienstlich verrichteten Tätigkeit, wenn es sich hierbei um eine Erwerbstätigkeit handelte.
2. Eine bereits vor dem Wehrdienst vorbestehende schwerwiegende Persönlichkeitsakzentuierung begründet keine Rentenansprüche, eine PTBS muss unter Verwendung der gängigen Diagnoseschlüssel nachgewiesen sein.
Orientierungssatz
Bei der Beurteilung der Frage, ob ein ehemaliger Soldaten einen Anspruch auf Versorgungskrankengeld hat, sind weder die Krankenkasse noch das entscheidende Gericht an ein Attest der Arbeitsunfähigkeit durch einen Facharzt für Allgemeinmedizin gebunden, da es sich bei der Tatbestandsvoraussetzung der Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 83 Abs 1 S 1 SVG in Verbindung mit § 16 Abs 1 BVG um einen Rechtsbegriff handelt.
Tenor
Die Berufungen des Klägers gegen die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18. April 2011 und 30. Januar 2014 werden zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch in den Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Beschädigtenversorgung, insbesondere Versorgungskrankengeld, nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG).
Der 1985 geborene Kläger, welcher bei der AOK Baden-Württemberg gegen Krankheit zeitweise über seine Mutter familienversichert war, wurde in Mazedonien geboren und reiste 1991 in die Bundesrepublik Deutschland (BRD) ein. Nach Erreichen der Mittleren Reife besuchte er die zweijährige Berufsfachschule Elektrotechnik der gewerblichen F.-von-St.-Schule in M., die er jedoch nicht abschloss. Anschließend war er arbeitsuchend, wobei er verschiedene Hilfstätigkeiten ausübte. Bevor er im Jahre 2005 zur mazedonischen Armee eingezogen werden sollte, beantragte er die deutsche Staatsangehörigkeit, welche er im gleichen Jahr erhielt. Vom 22. Mai bis 30. Juni 2006 leistete er ein Praktikum im Altenzentrum St. F. in M.. Als Freiwillig Wehrdienstleistender war er vom 1. Juli 2006 bis 31. Mai 2008 bei der Bundeswehr, zuletzt im Dienstgrad als Hauptgefreiter. Die dreimonatige Grundausbildung leistete er in einem Fallschirmjägerbataillon in der W.-Kaserne in W.. Anschließend war er als Stabsdienstsoldat und Militärkraftfahrer, wofür er einen mehrwöchigen Lehrgang unter anderem zum Erwerb der Dienstfahrerlaubnis belegte, in der W.-Kaserne in U. stationiert. Vom 18. Mai bis 12. September 2007 wurde er im Rahmen einer besonderen Auslandsverwendung beim 17. deutschen Einsatzkontingent Kosovo Force (EinsKtgt KFOR) als Stabsdienstsoldat, Militärkraftfahrer und Sprachmittler eingesetzt. Mitte Mai 2008 wurde er aus dem Bundeswehrkrankenhaus Ulm bis zum Ende der Wehrdienstzeit als “krank zu Hause„ entlassen. Von Juni 2008 bis einschließlich Oktober 2011 bezog er Arbeitslosengeld II, erstmals aufgrund der Entscheidung des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 1. Oktober 2008. Ab Anfang September 2008 besuchte er etwa ein Jahr lang das Abendgymnasium der Volkshochschule P.-E. GmbH, ohne die für Juli 2012 vorgesehene Abiturprüfung abzulegen. Am 12. September 2011 nahm er eine Tätigkeit für die Z.-G. GmbH in M. auf.
Während des Auslandseinsatzes wurde gegen ihn am 30. Juni 2007 wegen unkameradschaftlicher Äußerungen (“Du kannst deinem Hauptfeldwebel … sagen, er kann mich mal am Arsch lecken. Du musst es ja nicht so direkt sagen.„) eine Disziplinarbuße von 250 € verhängt. Daraufhin teilte der Oberstleutnant G. der Stammdienststelle des Klägers mit, er beabsichtige nicht, diesen zum 1. Juli 2007 zum Hauptgefreiten zu befördern. Die Kurzfristigkeit dieser Entscheidung beruhe auf der Häufung von Verfehlungen in den letzten Tagen sowie mehrfach durchgeführter Belehrungen und Ermahnungen seit Beginn des Kontingentes. Er halte den Kläger zurzeit nicht dieser Beförderung würdig. Seine Eignung und Leistung entsprächen derzeit nicht den Anforderungen. Mehrfache Dienstvergehen während des Einsatzes wie selbstständiges Entfernen vom Fahrzeug außerhalb der KFOR-Liegenschaften, Rückwärtsfahren ohne befohlenen Einweiser, Missachtung befohlener Anzugsordnung, unbeaufsichtigtes Zurücklassen der befohlenen Ausrüstung in Form der ID-Card, Missachtung von Befehlen und eine beleidigende Äußerung über Vorgesetzte zu Soldaten der Ko...