Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziales Entschädigungsrecht. Kriegsopferversorgung. Pflegezulage nach Stufe III. Versorgungsmedizinische Grundsätze. Blindheit. dauernde außergewöhnliche Pflege. Pflegeaufwand. Grundpflege
Leitsatz (amtlich)
1. Blindheit im Sinne der Pflegestufe III richtet sich, wenn die Sehfähigkeit nicht vollständig fehlt, nach den Richtlinien der Ophthalmologischen Gesellschaft.
2. Dauernde außergewöhnliche Pflege im Sinne der Pflegestufe II liegt erst bei einem erforderlichen Pflegeaufwand von mehr als 4 Stunden in der Grundpflege vor.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 18. März 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf erhöhte Pflegezulage (mindestens nach Stufe III) streitig.
Der am ... März 1922 geborene Kläger wurde im Zweiten Weltkrieg durch Granatsplitter verwundet. Wegen dieser Kriegsverletzungen wurden zuletzt mit Bescheid vom 6. August 2007 im Wesentlichen als Schädigungsfolgen Narben am rechten Oberarm mit erheblichen und dauernden Schmerzen, Hornhautnarbe links, Verlust des rechten Auges, chronische Mittelohrschleimhauteiterung rechts und narbige Trommelfellveränderungen links, hochgradige kombinierte Schwerhörigkeit rechts, leicht- bis mittelgradige kombinierte Schwerhörigkeit links, Schädigung des Gleichgewichtsorgans, Speichen-Nervenlähmung und distale Mittel- und Ellennervenschädigung rechts sowie distale Ellennervenschädigung links, zahlreiche schmerzhafte kleine Granatsplitterchen in den vorderen rechten oberen und linken unteren Halsweichteilen, in den linksseitigen Schulterweichteilen und in der rechten Hand, Mittelnervenschädigung links und leichte Mundwinkelschwäche rechts anerkannt und der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) mit 100 festgestellt. Aufgrund des Teil-Anerkenntnisses vom 20. Juni 2007 gewährt der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 7. August 2007 ab dem 1. Oktober 2006 die Pflegezulage nach Stufe I (Bl. 1543 V-Akte).
Am 11. März 2011 wurde der Kläger zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) im Auftrag der AOK Baden-Württemberg begutachtet. Dabei wurde ein grundpflegerischer Bedarf von 76 Minuten pro Tag festgestellt und unter anderem ausgeführt, dass sich der Kläger innerhalb der Wohnung mit Gehstock oder Unterarmstützen unter Abstützen und Festhalten ausreichend sicher bewegen könne, auch über eine kräftige Beinmuskulatur verfüge. Außerhalb der Wohnung nutze er einen Rollator und gehe mit leicht nach vorne gebeugtem Oberkörper (Bl. 2176 ff. V-Akte).
Im Rahmen des Gerichtsverfahrens beim Sozialgerichts Konstanz (SG - S 6 VK 280/12) wurde über den Kläger ein weiteres Gutachten erstellt. Der Sachverständige Dr. H., Waldburg-Zeil-Kliniken, kam aufgrund der Untersuchung vom 11. März 2013 zu dem Ergebnis, der Zeitaufwand für die Verrichtungen betrage insgesamt 1,5 Stunden. Der Gang sei angesichts der Alters recht flüssig, da sich der Kläger konsequent an den Wänden und am Mobiliar festhalte, Treppensteigen sei nur noch zum Aufzug und zum Arbeitszimmer erforderlich und gelinge - mit einiger Mühe - mit konsequentem Festhalten am Handlauf. An den Gelenken der unteren Extremitäten fänden sich keine über das Altersmaß hinausgehenden Einschränkungen in der Beweglichkeit. Die Sensibilität der Finger sei erhalten, wenngleich komplexe feinmotorische Verrichtungen massiv eingeschränkt seien. Die Harninkontinenz bei Prostata-Vergrößerung habe sich verstärkt. Der Kläger bewohne eine barrierefreie Wohnung, so dass alle Verrichtungen auf einer Ebene erfolgen könnten. Hilfebedarf bestehe beim Ankleiden (Anziehen von Socken, Zuknöpfen von Kleidungsstücken, Schnüren von Schuhen, mit Abstrichen Aufknöpfen), Reinigen nach der Ausscheidung sowie beim mundgerechten Fertigmachen der Nahrung (Zerschneiden von Fleisch, Aufschneiden von Brot oder Brötchen, Beschmieren und Kleinschneiden derselben). Außerdem sei aufgrund der Störung des Gleichgewichtsorganes und der sich akzentuierenden Gangunsicherheit eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich, um im Fall eines Sturzes einzugreifen, was sich vor allem auf Aufenthalte außerhalb des Hauses beziehe und wofür er ebenfalls einen Zeitaufwand von 1,5 Stunden veranschlage. In Auswertung u.a. dieses Gutachtens stellte der Senat mit Urteil vom 25. Juni 2015 (L 6 VK 5236/14) fest, dass der Beklagte bereits in großem Umfang Pflegeleistungen erstatte, die nicht schädigungsbedingt seien, da im Wesentlichen der Pflegebedarf durch die nicht schädigungsbedingte Harninkontinenz bei Prostatavergrößerung begründet werde (Hilfe bei Ausscheidung, mehrfaches An- und Auskleiden, Reinigen von Kleidung).
Vom 9. Januar bis 6. Februar 2013 führte der Kläger eine Badekur in der Klinik L. durch. Ausweislich des Entlassungsberichts vom 26. Februar 2013 befand er sich bei Aufnahme ...