Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. maschinelle Beatmung nach epileptischem Anfall mit Verdacht auf Aspirationspneumonie und Tachypnoe. vorherige Gewöhnung an das Beatmungsgerät als Voraussetzung für eine Kodierung von Spontanatmungsstunden als Beatmungsstunden in einer Phase der Entwöhnung

 

Orientierungssatz

Spontanatmungsstunden sind nach Wortlaut und Regelungssystem der DKR nur dann als Beatmungsstunden mitzuzählen, wenn der Wechsel von Beatmung und Spontanatmung in einer Phase der Entwöhnung erfolgt. Dies setzt eine vorherige Gewöhnung an die maschinelle Beatmung voraus, dh der Patient muss sich an die maschinelle Beatmung gewöhnt haben und in seiner Fähigkeit, vollständig und ohne maschinelle Unterstützung zu atmen, eingeschränkt sein.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 10.03.2022; Aktenzeichen B 1 KR 35/20 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 06.08.2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens in allen Instanzen trägt die Klägerin.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 6.174,49 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Vergütung für eine stationäre Krankenhausbehandlung iHv 6.174,49 €.

Die Klägerin betreibt ein nach § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zur Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenes Krankenhaus in U.

Der 1966 geborene, bei der beklagten Krankenkasse versicherte J. K. (im Folgenden: Versicherter) wurde im Krankenhaus der Klägerin vom 19.01. bis 01.02.2011 wegen eines generalisierten epileptischen Anfalls mit Verdacht auf Aspirationspneumonie und Tachypnoe vollstationär behandelt. Am 18.01.2011 wurde der Versicherte zunächst ins Krankenhaus B. aufgenommen und am 19.01.2011 bei Fieber bis 41GradC in komatösem Zustand auf die Stroke Unit   der Neurologischen Klinik der Klägerin verlegt. Bei beginnender Sepsis wurde eine Antibiose begonnen. Aufgrund einer Magenblutung wurde der Versicherte vom 25. bis 26.01.2011 in die Klinik Innere Medizin II verlegt und in hämodynamisch   stabilem Zustand rückverlegt. Am 27.01.2011 wurde der Versicherte kurz nach 23 Uhr auf die anästhesiologische Intensivstation verlegt und bis zur Verlegung am 01.02.2011 zurück nach B. bei Ateminsuffizienz zeitweise nichtinvasiv beatmet (NIV = noninvasive   Ventilation) mit dem Gerät Evita4 im Wechsel mit Spontanatmung unter Sauerstoffinsufflation . Die Spontanatmung des Versicherten wurde zum letzten Mal am 01.02.2011 (Tag der Verlegung) mit mehr als 6 Stunden durch Masken-CPAP unterstützt.

Insgesamt wurde der Versicherte wie folgt beatmet:

Datum 

Beginn

Ende   

Beatmungsform

Sauerstoffpartialdruck (mmHg)

Normalwert ) 80 mmHg

Dauer 

27.01.

23:20 

24:00 

NIV     

147,6 

0h 40 

28.01.

00:00 

13:00 

NIV     

91,4   

1h    

28.01.

13:00 

14:00 

Spontanatmung

18h 30

28.01.

14:00 

19:00 

NIV     

5h    

28.01.

19:00 

24:00 

Spontanatmung

150,0 

5h    

29.01.

00:00 

01:00 

Spontanatmung

1h    

29.01.

01:00 

10:00 

NIV     

91,4 (8:16 Uhr); 85,1 (9:36 Uhr)

9h    

29.01.

10:00 

11:00 

Spontanatmung

1h    

29.01.

11:00 

18:30 

NIV     

7h 30 

29.01.

18:30 

19:00 

Spontanatmung

0h 30 

29.01.

19:00 

24:00 

NIV     

5h    

30.01.

00:00 

16:00 

Spontanatmung

74,4   

16h     

30.01.

16:00 

24:00 

NIV     

8h    

31.01.

00:00 

05:00 

NIV     

5h    

31.01.

05:00 

08:00 

Spontanatmung

3h    

31.01.

08:00 

10:00 

NIV     

71,1 (9:14 Uhr); 91,7 (9:21 Uhr)

2h    

31.01.

10:00 

17:00 

Spontanatmung

7h    

31.01.

17:00 

24:00 

NIV     

7h    

01.02.

00:00 

10:00 

NIV     

83,7   

10h     

01.02.

10:00 

11:00 

Spontanatmung

1h    

01.02.

11:00 

15:00 

NIV     

4h    

Gesamtdauer 111 Stunden 40 Minuten, davon mit NIV: 76 Stunden 10 Minuten

Für die Behandlung des Versicherten vom 19.01. bis 01.02.2011 forderte die Klägerin mit Rechnung vom 17.02.2011 insgesamt 10.685,48 € unter Ansatz der DRG A13G (Beatmung )95 und (250 Stunden ohne komplexe oder bestimmte OR-Prozedur, ohne intensivmedizin Komplexbehandlung, Alter (15 J, oder verstorben oder verlegt (9 Tage, ohne kompl Diagnose, ohne kompl Prozedur). Die Beklagte zahlte zunächst den Rechnungsbetrag und schaltete sodann den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) ein. Mit Gutachten vom 05.04.2011 führte Dr. D. aus, die Beatmungsstunden seien auf Null zu setzen, da weder Beatmungszeiten noch -einstellungen ersichtlich seien. Damit ergebe sich DRG B76C, somit ein Betrag von 4.355,33 €. Mit Schreiben vom 11.04.2011 bat die Beklagte um Rechnungskorrektur. Die Klägerin übersandte daraufhin auch die Intensivkurven zur Beurteilung. Im Zweitgutachten vom 15.03.2013 kam Dr. D. vom MDK zu der Einschätzung, es könnten 79 Beatmungsstunden angerechnet werden, weshalb es bei DRG B76C bleibe. Die Klägerin entgegnete darauf, dass auch die Entwöhnungszeiten zur Gesamtbeatmungszeit zählten, weshalb sich eine Gesamtbeatmungszeit von 113 Stunden ergebe. Dr. D. ergänzte unter dem 13.05.2013, d...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge