Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. keine Kostenübernahme von Infusionen mit Alpha-Liponsäure bei Magen-Darm-Lähmung
Leitsatz (amtlich)
Die Behandlung einer autonomen Neuropathie mit Magen-Darm-Lähmung durch Infusionen mit Alpha-Liponsäure ist keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Januar 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Kostenerstattung von Infusionsbehandlungen mittels Alpha-Liponsäure über den 31. März 2004 hinaus bzw. zukünftige Freistellung von den durch die Therapie entstehenden Kosten streitig.
Bei dem 1941 geborenen, bei der Beklagten krankenversicherten Kläger besteht ein insulinbehandelter Typ-1-Diabetes mit fortgeschrittenen Endorganschäden. Neben einer schweren peripher-sensiblen Neuropathie leidet er an einer fortgeschrittenen autonomen Neuropathie, die sich in einer schweren neurogenen Magen- und Darmlähmung manifestiert. Die diabetische Gastroenteroparese wird seit 1993 mit Alpha-Liponsäure behandelt. Die letzte Infusion erhielt der Kläger am 12. Mai 2004; bis zu diesem Zeitpunkt wurde ein bereits zu Lasten der Beklagten verordneter Vorrat des Medikaments aufgebraucht.
Unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung von dem behandelnden Internisten Dr. S. beantragte der Kläger eine Kostenübernahme im Sinne einer Einzelfallentscheidung über den 1. April 2004 hinaus. Zur Begründung wurde vorgetragen, dass neben den sonst noch möglichen Therapieoptionen das Krankheitsbild alleinig durch die Infusionen mit Alpha-Liponsäure in erträglichem Maße hätte gebessert werden können.
Mit Bescheid vom 7. April 2004 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, durch das Gesundheitsmodernisierungsgesetz vom 1. Januar 2004 seien apothekenpflichtige nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen worden. Hiervon ausgenommen seien nur Präparate für schwerwiegende Erkrankungen, sofern die Anwendung dieser Arzneimittel für diese Indikationsgebiete nach dem Erkenntnisstand als Therapiestandard in der jeweiligen Therapierichtung angezeigt seien. Diese Wirkstoffe/Präparate und die jeweiligen Indikationen seien in einer Ausschließlichkeitsliste zusammengefasst und am 16. März 2004 vom Bundesministerium für Gesundheit beschlossen worden. In dieser Liste sei das beantragte Arzneimittel nicht aufgeführt, sodass eine Kostenübernahme durch Einzelfallentscheidung nicht möglich sei.
Sein hiergegen eingelegter Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 18. Mai 2004). Zur Begründung führte die Beklagte ergänzend aus, es handle sich auch nicht um einen Notfall, denn dies setze voraus, dass aus medizinischen Gründen eine umgehende Behandlung des Patienten notwendig sei und ein Vertragsarzt nicht in der gebotenen Eile herbeigerufen oder aufgesucht werden könne.
Mit seiner dagegen beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Schäden am autonomen Nervensystem führten unter anderem zu erheblichen und unerträglichen Verdauungsproblemen und Schmerzen infolge einer Lähmung der Verdauungsorgane. Seit er das Medikament nicht mehr auf Krankenkassenkosten erhalten könne, hätten sich seine Beschwerden von Tag zu Tag verschlechtert und er habe tagelang keinen Stuhlgang mehr. Sein Leib sei stark angespannt, er habe Schmerzen und bekomme schlecht Luft. Dieser Zustand sei nahezu unerträglich und verschlechtere sich weiter.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG den behandelnden Arzt als sachverständigen Zeugen gehört. Dr. S. hat ausgeführt, dass es sich bei der Alpha-Liponsäure nicht um ein Abführmittel handle. Der therapeutische Effekt des Wirkstoffs beruhe auf einer Verbesserung der Funktion des Nervenstoffwechsels, d.h. es handle sich um einen pathophysiologisch begründbaren Therapieansatz. In der zurückliegenden Zeit sei der Kläger praktisch mit allen zur Verfügung stehenden medikamentösen Therapieprinzipien behandelt worden. Geholfen habe zumindest etwas - Cisaprid, letzteres sei jedoch in Deutschland nicht mehr im Handel. Die übrigen Substanzen seien in ihrer Wirkung unbefriedigend oder unwirksam gewesen. Seit Abbruch der Behandlung nehme der Kläger teilweise Abführmittel (Movicol) sowie Klistiere zur Linderung der Obstipation. Die Schmerzen würden hierdurch jedoch nicht beeinflusst. Die Stoffwechsellage sei instabiler geworden aufgrund des nicht vorhersehbaren gastrointestinalen Transits, wodurch sich das Krankheitsbild insgesamt eindeutig verschlechtert habe. Der aktuelle Zustand des Klägers sei beklagenswert.
Mit Urteil vom 20. Januar 2005, dem Kläger zugestellt am 17.02.2005, wies das SG die Klage mit der Begründung ab, bei Präparaten, die den streitbefangenen Wirkstoff Alpha-Liponsäure enthielten, handle es sich ...