Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld. Bestimmung des Ruhenszeitraums bei Abfindung und Urlaubsabgeltung

 

Orientierungssatz

Die Anwendung von § 117 Abs 2 S 5 AFG erfordert zunächst die Feststellung des Ruhenszeitraums nach § 117 Abs 2 S 1 AFG, der sodann um den Ruhenszeitraum für die Urlaubsabgeltung zu verlängern ist.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 27.04.1998; Aktenzeichen B 11 AL 217/97 B)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld (Alg) auch für die Zeit vom 1. bis 9.6.1995 ruht.

Der am 7.7.1963 geborene Kläger war ab 6.4.1992 bei der Firma Pluspunkt in R als Lagerarbeiter beschäftigt. Am 22.5.1995 meldete er sich bei dem Arbeitsamt Reutlingen (AA) arbeitslos und beantragte Alg. Er gab an, das Arbeitsverhältnis sei am 3.4.1995 durch außergerichtlichen Vergleich beendet worden. Nach dem von ihm vorgelegten Vergleichsvertrag endet das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Kündigung des Arbeitgebers vom 24.3.1995 zum 31.5.1995. Für den Verlust des Arbeitsplatzes zahlt die Firma einen Betrag von 1.000,- DM. Für jeden Monat, den der Kläger vor dem 30.5.1995 aus dem Unternehmen ausscheidet, erhält er einen Betrag von 1.000,- DM.

Der Kläger gab weiter an, er sei zum 30.4.1995 vorzeitig ausgeschieden. Ihm sei Mitte April eine Aushilfstätigkeit für Mai 1995 angeboten worden, diese Aushilfstätigkeit sei später jedoch nicht zustandegekommen. In der Arbeitsbescheinigung des Arbeitgebers vom 26.5.1995 wird die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.4.1995 aufgrund Arbeitnehmerkündigung am 19.4.1995 bestätigt. Der Kläger habe eine Abfindung von 2.000,- DM erhalten. Wäre der noch zustehende Urlaub im Anschluß an das Arbeitsverhältnis genommen worden, hätte er bis einschließlich 16.5.1995 gedauert.

Mit Bescheid vom 17.7.1995 stellte das AA daraufhin eine 6-wöchige Sperrzeit vom 1.5. bis 11.6.1995 fest. Mit Bescheid vom 20.7.1995 bewilligte es dem Kläger Alg ab 20.7.1995 für 276 Tage. Durch Bescheid vom 16.8.1995 stellte es das Ruhen des Leistungsanspruchs bis 17.6.1995 fest. Auf die hiergegen eingelegten Widersprüche reduzierte das AA die Sperrzeit auf 3 Wochen und legte das Ende des Ruhenszeitraums auf den 9.6.1995 fest (vgl. Teilabhilfebescheid vom 14.9.1995 und Bewilligungs-Änderungs-Bescheid vom 12.10.1995).

Das AA wies mit Widerspruchsbescheid vom 26.10.1995 den (allein noch streitigen) Widerspruch gegen das Ruhen des Anspruchs auf Alg zurück. Die Abfindung, die der Kläger erhalten habe, führe zu einem Ruhen bis zum 24.5.1995. Da der Kläger zusätzlich zu der Abfindung eine Urlaubsabgeltung erhalten habe und der Urlaub das Arbeitsverhältnis um 16 Tage verlängert hätte, ruhe der Anspruch auf Alg auch um weitere 16 Kalendertage bis einschließlich 9.6.1995.

Mit der hiergegen am 16.11.1995 zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobenen Klage macht der Kläger geltend, der Alg-Anspruche ruhe zunächst wegen der Urlaubsabgeltung bis 16.5.1995 und sodann wegen der erhaltenen Abfindung bis 24.5.1995. Die Ruhensansprüche dürften nicht addiert werden. Das Arbeitsverhältnis hätte aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Kündigung zum 31.5.1995 geendet. In keinem Fall dürfe der Anspruch auf Alg über diesen Tag hinaus ruhen.

Mit Urteil vom 2.4.1996 hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Alg auch für die Zeit vom 1.6. bis 9.6.1995 zu zahlen. Das SG hat die Berufung im Urteilstenor zugelassen. Wegen der Einzelheiten wird auf die schriftlichen Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Gegen das ihr am 24.5.1996 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 20.6.1996 Berufung eingelegt. Entgegen der Auffassung des SG enthalte das Gesetz eine Regelung, wie beim Zusammentreffen zweier Ruhenstatbestände zu verfahren sei. In § 117 Abs. 2 Satz 5 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) heiße es, daß sich der Ruhenszeitraum nach Satz 1 um die Zeit des abgegoltenen Urlaubs verlängere. Eine Verlängerung des Ruhenszeitraums nach Satz 1 um die entsprechenden Tage der Urlaubsabgeltung könne jedoch erst dann erfolgen, wenn dieser Ruhenszeitraum feststehe. Daraus ergebe sich eine Addition der Ruhenszeiträume. Der Ruhenszeitraum wegen der Abfindung liege vor dem Ruhenszeitraum wegen der Urlaubsabgeltung. Allein diese Auffassung entspreche dem Sinn und Zweck der Regelungen des § 117 AFG. Denn der Kläger habe praktisch bis zum 9.6.1995 keinen Lohnausfall erlitten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 2. April 1996 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er widerspricht der Auslegung der Beklagten bezüglich § 117 Abs. 2 Satz 5 AFG. Diese Vorschrift treffe keine Bestimmung über das Verhältnis zwischen Ruhenszeiträumen wegen des Erhalts einer Abfindung einerseits und demjenigen wegen des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung andererseits. Aus den jeweiligen Regelungen ergebe sich eindeutig, daß beide Zeiträume jeweils parallel vom Ende des Arbeitsverhältnisses an zu laufen beg...

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