Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung. nicht krankheitsbedingter erhöhter Kalorienbedarf. Unterkunft und Heizung. Stromkosten für Heizlüfter
Orientierungssatz
1. Eine Hilfebedürftige, die einen erhöhten Kalorienbedarf geltend macht, der weder durch den vorliegenden Diabetes mellitus noch durch sonstige krankheitsbedingte Gründe verursacht ist, hat keinen Anspruch auf einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung gem § 21 Abs 5 SGB 2. Die nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen vom 1.10.2008 bei Diabetes mellitus angezeigte Vollkost ist durch den Ernährungsanteil im Regelbedarf nach § 20 Abs 1 SGB 2 gedeckt.
2. Zur Berücksichtigung zusätzlicher Stromkosten für die Beheizung des Bades mit einem Heizlüfter als angemessene Heizkosten nach § 22 Abs 1 S 1 SGB 2.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. Juni 2006 abgeändert und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 13. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Februar 2005 und der Änderungsbescheide vom 4. März 2005, 7. September 2005 und 15. November 2005 verurteilt, der Klägerin weitere 60,69 Euro für Kosten der Unterkunft und Heizung zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte erstattet 1/6 der außergerichtliche Kosten der Klägerin in allen Rechtszügen. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2005.
Die 1959 geborene Klägerin ist alleinstehend und bewohnt eine Ein-Zimmer-Wohnung, die durch zwei Gas-Einzelöfen und einen Heizlüfter im Bad beheizt wird. Für die Wohnung zahlt sie eine Kaltmiete in Höhe von 260 Euro zuzüglich Kosten für Gas in Höhe von 48 Euro bis einschließlich Februar 2005 und 52 Euro von März bis Juni 2005. Bis 21. Juni 2004 bezog sie Arbeitslosengeld in Höhe von 198,94 Euro wöchentlich, anschließend Arbeitslosenhilfe bis 31. Dezember 2004.
Im Oktober 2004 beantragte sie bei der Beklagten die Gewährung von Arbeitslosengeld II (Alg II) und legte dabei eine Bescheinigung ihrer Hausärztin vor, wonach bei ihr aufgrund eines Diabetes mellitus Diabeteskost erforderlich sei. Mit Bescheid vom 13. November 2004 bewilligte die Beklagte Alg II von Januar bis Mai 2005 in Höhe von 794,56 Euro und für Juni 2005 in Höhe von 777,16 Euro, wobei die Beklagte zusätzlich zu einem befristeten Zuschlag nach § 24 SGB II in Höhe von 134 Euro einen monatlichen Mehrbedarf von 25,56 Euro für kostenaufwendige Ernährung berücksichtigte. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass der Mehrbedarf für kostenaufwendige Ernährung zu gering sei und ihr einschließlich Praxisgebühr und Zuzahlung monatliche Kosten in Höhe von mindestens 50 Euro entstünden. Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 2005 bewilligte die Beklagte daraufhin für die Zeit von Januar bis Mai 2005 monatlich 795,23 Euro und für Juni 2005 775,18 Euro. Den darüber hinausgehenden Widerspruch wies sie als unbegründet zurück.
Am 1. März 2005 hat die Klägerin zum Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben. Während des Klageverfahrens hat die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 4. März 2005 Leistungen in Höhe von 795,56 Euro für Januar, 805,56 Euro für Februar, 686,49 Euro für März, 807,56 Euro für April und Mai und 787,46 Euro für Juni 2005 bewilligt. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 7. September 2005 hat sie die Leistungen für Januar 2005 auf 803,56 Euro festgesetzt und mit Änderungsbescheid vom 15. November 2005 schließlich für Januar und Februar auf 806,33 Euro, für März auf 689,26 Euro, für April auf 810,33 Euro, für Mai auf 802,82 Euro und für Juni 2005 auf 782,72 Euro.
Die Klägerin hat ihre Klage damit begründet, dass eine Anpassung des seit 1997 nicht erhöhten Mehrbedarfsbetrages zu erfolgen habe, zusätzliche Stromkosten von 11 Euro zu berücksichtigen seien, weil sie ihr Bad mit einem Heizlüfter beheize und die Regelleistung von 345 Euro zu gering sei.
In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat die Beklagte ein Teilanerkenntnis abgegeben und sich bereit erklärt, der Klägerin über die mit Bescheid vom 15. November 2005 zuerkannten Leistungen hinaus für März 2005 Leistungen in Höhe von 795,23 Euro (gemäß dem Widerspruchsbescheid), für Mai 2005 in Höhe von 807,56 Euro und für Juni 2005 in Höhe von 784,46 Euro (gemäß dem Bescheid vom 4. März 2005) zu bewilligen. Dieses Teilanerkenntnis hat die Klägerin angenommen. Mit Urteil vom 29. Juni 2006 hat das SG die darüber hinausgehende Klage abgewiesen. Dabei ist es der Sache nach davon ausgegangen, dass auch Folgebescheide Gegenstand des Verfahrens geworden sind und sich der streitige Zeitraum bis 31. Mai 2006 erstreckt. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, der Klägerin stünden keine höheren Leistungen...