Entscheidungsstichwort (Thema)
gesetzliche Unfallversicherung. Beitragsrecht. Wegfall einer Beitragsermäßigung. keine außergewöhnlichen Betriebsverhältnisse. keine Anhörungspflicht. Gefahrtarif Teil II Nr 2 1995. Versicherungswirtschaft ohne Außendienst
Orientierungssatz
1. Zur Rechtmäßigkeit der Ablehnung einer früher gewährten Ge- fahrklassenherabsetzung entsprechend Teil II Nr 2 des Gefahrtarif 1995 im Rahmen einer Neufeststellung des Gefahrtarif gemäß § 73 Abs 1 RVO, wenn keine außergewöhnlichen Betriebsverhältnisse vorliegen.
2. Vor dem beabsichtigten Wegfall der Beitragsklassenherabsetzung nach dem vorausgegangenem Gefahrtarif (Teil II Nr 2 GT 1995) besteht seitens des Unfallversicherungsträgers keine Anhörungspflicht gemäß § 24 SGB 10. Eine Neuveranlagung nach § 734 Abs 1 RVO aufgrund eines neuen GT enthält keinen Eingriff in ein bestehendes Recht, auch nicht bei jetzt ungünstigerer Veranlagung, weil die bisherige Veranlagung automatisch wirkungslos geworden ist.
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Veranlagung zu Gefahrklassen im Beitragsrecht der gesetzlichen Unfallversicherung, insbesondere um die Rechtmäßigkeit des Wegfalls einer früher zuerkannten Beitragsermäßigung.
Die Klägerin ist ein Unternehmen der privaten Versicherungswirtschaft mit Niederlassungen in mehreren deutschen Städten, u.a. in H, F am Main und K; die Hauptverwaltung befindet sich in S. Die Niederlassung H ist seit 1954, die Niederlassung F seit 01.01.1973 und die Niederlassung K seit 01.10.1973 bei der Beklagten gemeldet. Seit 1984 gliederte die Beklagte ihren Gefahrtarif (GT) nach Berufs- und Gewerbezweigen (zuvor nach Tätigkeiten). Die genannten Niederlassungen der Klägerin waren danach jeweils in GT-Stelle 2.1 eingestuft, in der folgende Unternehmensarten zusammengefasst waren: Lebensversicherungs-, Unfall- und Krankenversicherungsunternehmen, Sach-, Tier-, Haftpflicht-, Rück- und sonstige Versicherungsunternehmen, im GT 1990 zusätzlich Versicherungsvertreter. Teil II Nr. 2 des jeweiligen GT sah die Möglichkeit einer Herabsetzung der Gefahrklasse im Einzelfall bei erheblich abweichender Betriebsweise vor. Eine solche Herabsetzung der (Regel)Gefahrklasse bewilligte die Beklagte der Klägerin (nach Betriebsbesichtigungen durch ihren Technischen Aufsichtsdienst <TAD>) u.a. für die Niederlassungen H, F und K für die Beitragsberechnung nach den GT 1984 (Regelgefahrklasse 2,0, Herabsetzung auf 1,3 bzw. 1,2) und 1990 (Regelgefahrklasse 1,4, Herabsetzung auf 1,1), weil diese keine eigenen Außendienstmitarbeiter hatten und ihren Außendienst von Mitarbeitern der Hauptverwaltung ausführen ließen.
Nach dem ab 01.01.1995 geltenden GT sind die genannten Niederlassungen der Klägerin in die GT-Stelle 02 eingestuft, zu der mit einer Regelgefahrklasse von 1,4 nunmehr folgende Unternehmensarten gehören: Versicherungsunternehmen/Versicherungsvertreter, -fachmann, -makler/Bausparkassenvertreter. Mit Veranlagungsbescheiden vom 29.09.1995 stufte die Beklagte für die Zeit ab 01.01.1995 die genannten drei Niederlassungen der Klägerin dementsprechend ein. Hiergegen erhoben diese jeweils mit der Begründung Widerspruch, sie hätten weiterhin keinen Außendienst und deshalb Anspruch auf Beibehaltung der bisher gewährten Gefahrklassenherabsetzungen auf 1,1, die sie ausdrücklich beantragten.
Mit Beitragsbescheiden vom 26.04.1996 für 1995, vom 25.04.1997 für 1996 und vom 27.04.1998 für 1997 legte die Beklagte weiterhin die Gefahrklassen 1,4 zugrunde. Eine günstigere Einstufung bzw. Herabsetzung der Gefahrklasse gemäß der auch im GT 1995 enthaltenen Regelung in Teil II Nr. 2 lehnte die Beklagte wie folgt ab: für die Niederlassung H mit Bescheid vom 09.12.1996 und wies die Widersprüche gegen alle Bescheide mit Widerspruchsbescheid vom 26.06.1998 zurück; für die Niederlassung F mit Bescheid vom 03.12.1996/Zurückweisung der Widersprüche gegen alle Bescheide mit Widerspruchsbescheid vom 15.05.1997; für die Niederlassung K mit Bescheid vom 03.12.1996/Zurückweisung der Widersprüche gegen alle Bescheide mit Widerspruchsbescheid vom 04.04.1997. Zur Begründung führte die Beklagte u.a. aus, bei der nunmehr neu gefassten Unternehmensart "Versicherung" sei der fehlende Außendienst keine außergewöhnliche Betriebsweise, sondern im Zuge des sog. Outsourcing inzwischen eher der Regelfall. Auch die Beachtung von Unfallverhütungsvorschriften (UVV) und Schutzmaßnahmen entspreche dem Standard und begründe keine außergewöhnliche Betriebsweise. Die früher gewährten Herabsetzungen hätten nur für die jeweilige GT-Periode gegolten. Eine Bindung an die frühere Beurteilung der Betriebsweise bestehe deshalb nicht.
Dagegen erhob die Klägerin für ihre Niederlassung K am 05.05.1997 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe, das sie mit Beschluß vom 22.05.1997 an das örtlich zuständige Sozialgericht Stuttgart (SG) verwies (S 6 U 2566/97). Für die Niederlassung F erhob die Klägerin am 11.06.1997 (S 6 U 2800/97) und für die...