Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. keine Kostenerstattung für die stationäre Behandlung eines metastasierenden Ovarialkarzinoms durch Hyperthermie bei Bestehen einer palliativen Situation. grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs
Leitsatz (amtlich)
Die stationäre Behandlung eines metastasierenden Ovarialkarzinoms durch Hyperthermie bei Bestehen einer palliativen Situation ist vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen auch unter Berücksichtigung der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs nicht umfasst. Die Krankenkasse muss daher ihren Versicherten die Kosten für die Beschaffung dieser Behandlung nicht erstatten.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz
vom 16.04.2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt als Sonderrechtsnachfolger seiner Ehefrau die Kostenerstattung für eine stationäre Hyperthermie-Behandlung iHv 3.622,52 €.
Die 1967 geborene und am 06.11.2012 verstorbene Frau U. A. (- im folgenden Versicherte -) litt an einem metastasierten Ovarialcarcinom (Eierstockkrebs), das im August 2011 diagnostiziert worden war. Nach dem Tod führt der Ehemann der Versicherten die Klage fort.
Nach der Diagnose eines primär metastasierenden Ovarialcarcinoms mit Lymphknotenbefall, Magenbefall, Peritonealcarcinose und Pleuraergüssen bds wurde die Versicherte am 09.08.2011 operiert. Daraufhin erfolgten acht Zyklen Chemotherapie.
Mit Schreiben vom 16.05.2012 beantragte der Facharzt für Allgemeinmedizin M. bei der Beklagten für die Versicherte eine Kostenzusage bzw Zusage für eine Kostenbeteiligung an einer Hyperthermie-Therapie in der St. G. Klinik B. A.. Zur Begründung führte er aus, dass trotz der Chemotherapie der Tumormarker erneut angestiegen sei, so dass von einem Progress der Erkrankung ausgegangen werden müsse. Zudem habe sich bei der Versicherten unter der Chemotherapie eine Polyneuropathie, Haarverlust sowie schwere Nebenwirkungen mit kaum zu beherrschender Übelkeit entwickelt. Am 22.05.2012 beantragte auch die Klinik eine Kostenübernahme für eine stationäre Behandlung ab dem 23.05.2012 für die Dauer von vier Tagen. Durchgeführt werden solle eine systemische Ganzkörperhyperthermie, loco-regionale Tiefenhyperthermie, Prostata-Thermotherapie sowie Chemotherapie.
Mit Schreiben vom 22.05.2012 teilte die Beklagte der Klinik mit, dass die Kosten nicht übernommen werden könnten, weil kein Versorgungsvertrag bestehe. Mit Bescheid vom 23.05.2012 lehnte die Beklagte den Antrag gegenüber der Versicherten ab.
In der Zeit vom 23.05.2012 bis zum 26.05.2012 wurde die stationäre Ganzkörperhyperthermie-Therapie mit low dose Chemotherapie in der Klinik St G. durchgeführt. Die Trägerin der Klinik stellte der Versicherten mit Schlussrechnung vom 30.05.2012 einen Betrag iHv 1.185 € für die stationäre Unterbringung und 3.297,75 € für die ärztliche und sonstige Behandlung sowie Medikamente in Rechnung. Für eine weitere Behandlung in der Zeit vom 29.05.2012 bis 01.06.2012 stellte die Klinik der Klägerin einen Betrag iHv 1.185 € für den Aufenthalt und 3.388,55 € für die Behandlung in Rechnung, insgesamt also einen Betrag von 9.056,30 €.
Mit Schreiben vom 05.06.2012 legte die Versicherte Widerspruch ein. Die Onkologie R. habe ihr keine andere Alternative als weitere Chemo-Therapien anbieten können. Da ihr Körper durch die Chemo-Therapien zusehends schwächer geworden sei, sei dies nicht infrage gekommen.
Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) mit der Erstellung eines Gutachtens. Dr. B. führte im Gutachten vom 11.06.2012 aus, dass es sich bei der Hyperthermie um eine neue therapeutische Methode handle, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) bewertet und von der vertragsärztlichen Versorgung in allen Anwendungsformen und Indikationen ausgeschlossen worden sei. Die Indikation Ovarialcarcinom sei vom GBA selektiv geprüft worden. Eine lebensbedrohliche Erkrankung habe vorgelegen. Alle wissenschaftlichen Therapieansätze zur Behandlung des Carcinoms im aktuellen Tumorstadium der Versicherten seien derzeit nicht auf Heilung, sondern auf Palliation und Lebensverlängerung ausgerichtet. Es bestehe kein auf Evidenz gestützter Grund zu der Annahme der Versicherten, dass die adjuvante Hyperthermie in der Lage wäre, eine Heilung von der Tumorerkrankung zu bewirken. Dies finde sich auch in keiner schriftlichen Ausführung eines ihrer behandelnden Ärzte. Der Versicherten hätten schulmedizinische/vertragsmedizinische Therapien einschließlich der palliativen Medizin zur Verfügung gestanden. In Betracht käme eine weitere Chemotherapie. Die Evidenz für eine positive Beeinflussung der Erkrankung durch eine Hyperthermie-Behandlung sei derzeit nicht gegeben. Patienten sollten mittels Hyperthermie lediglich im Rahmen von wissenschaftlichen Studien behandelt werden.
Mit Bescheid vom 18.06.2014 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme erne...