Entscheidungsstichwort (Thema)
Wegfall des Anspruchs auf Witwenrente nach Wiederheirat in den USA. wirksame Eheschließung nach dem Recht des Staates Nevada. Rücknahme des Witwenrentenbescheids auch für die Vergangenheit. grobe Fahrlässigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Eine in Las Vegas nach dem Recht des Staates Nevada wirksam geschlossene Ehe ist auch ohne besondere Anerkennung in Deutschland wirksam.
2. Eine die Rücknahme des Witwenrentenbescheids auch für die Vergangenheit zulassende grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die Witwenrente Beziehende eine Wiederheirat (hier in Las Vegas) der Rentenversicherung nicht anzeigt und sich über deren Wirksamkeit in Deutschland nicht von einem Rechtskundigen beraten lässt.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. Januar 2016 abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen eine rückwirkende Aufhebung der Bewilligung einer Witwenrente und ihre Verpflichtung, insoweit erbrachte Rentenleistungen teilweise zurückzuzahlen.
Die 1943 geborene Klägerin bezog aus der Versicherung ihres 1940 geborenen und 1996 verstorbenen früheren Ehemannes J. H. (J.H.), mit dem sie ab 1960 verheiratet gewesen war, nach dessen Tod ab 1. April 1996 Witwenrente, ab 1. August 1996 mit einem monatlichen Betrag von 1.043,07 DM (Bescheid vom 3. Juli 1996, u.a. mit den Hinweisen: „Die Rente fällt mit Ablauf des Monats der Wiederheirat weg. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns die Wiederheirat unverzüglich mitzuteilen. ... Soweit Änderungen Einfluss auf den Rentenanspruch oder die Rentenhöhe haben, werden wir den Bescheid - auch rückwirkend - ganz oder teilweise aufheben und zu Unrecht erbrachte Leistungen zurückfordern.“). Außerdem bezieht die Klägerin seit 1996 eine Erwerbsminderungsrente aus eigener Versicherung.
Ab 1998 wohnte die Klägerin mit dem 1943 geborenen und 2014 verstorbenen H. B. (H.B.), mit dem sie eine partnerschaftliche Beziehung aufgenommen hatte, in einem gemeinsamen Haushalt zusammen. Man hatte getrennte Konten. H.B., der von Beruf Kraftfahrer gewesen war, bezog - nach Angaben der Klägerin schon vor dem Jahr 2003 - Rente und verfügte über Vermögen in Form von Aktien. Die Klägerin hatte als Stenokontoristin in einer amerikanischen Kaserne gearbeitet.
Nachdem H.B. der Klägerin zu Weihnachten zwei Tickets für eine Reise in die USA nach Las Vegas/Nevada geschenkt hatte, traten beide im April 2003 diese Reise an. Man flog zunächst nach Las Vegas und reiste dann mit einem vor Ort angemieteten Wohnmobil weiter nach Norden bis Seattle, von wo man zurück nach Deutschland flog. In Las Vegas kaufte H.B. für sich und die Klägerin Country-Kleidung. Zwei Tage nach ihrer Ankunft suchten die Klägerin und H.B. dann die Candlelight Wedding Chaple auf. Dort wurden ihre Daten für die Heiratslizenz und eine Trauungszeremonie von einem deutsch sprechenden Bediensteten aufgenommen. Beide mussten ihre Pässe vorlegen und wurden befragt, ob sie verheiratet seien. Die Klägerin hatte auch die Sterbeurkunde von J.H. dabei. Im Zuge dessen war auch eine Gebühr (gemäß den Angaben der Klägerin von „weniger als 100 Dollar“) zu entrichten. Nach Angaben der Klägerin erklärte der die Daten aufnehmende Bedienstete, die Ehe sei nicht wirksam, wenn dies nicht beim Standesamt in Stuttgart beantragt würde. Im April 2003 erfolgte dann in der Candlelight Wedding Chaple, Las Vegas eine Trauungszeremonie in englischer Sprache durch Pastor J. F. in Anwesenheit des Bediensteten, der die Formalien aufgenommen hatte, als Trauzeuge (vgl. Marriage Certificate No ... des Staates Nevada vom ... 2003 in den Akten der Beklagten). Bei der Zeremonie tauschten die Klägerin und H.B. die mitgeführten Eheringe aus ihren früheren Ehen. Nach der Rückkehr nach Deutschland feierten die Klägerin und H.B. aus Anlass ihres 60. Geburtstages, wobei auch die Hochzeit mitgefeiert wurde. Gegenüber der Familie sowie Freunden und Bekannten erklärten beide, die Ehe sei nicht gültig.
Der Beklagten teilte die Klägerin die Heirat in Las Vegas nicht mit.
Nachdem die Klägerin auf den Tod des H.B. von einem Notar die Mitteilung erhielt, sie komme als Erbin des H.B. in Betracht, wandte sie sich am 25. Juni 2014 erstmals persönlich an die Beklagte und erklärte, sie und H.B. hätten im April 2003 in Las Vegas geheiratet. Man habe ihnen damals erklärt, die Eheschließung werde in Deutschland nicht anerkannt, die Anerkennung müsse beim Standesamt erst beantragt werden. Einen solchen Antrag habe man jedoch nie gestellt. Wie sie vom Notar erfahren habe, werde die Eheschließung in Deutschland auch ohne Eintragung beim Standesamt anerkannt. Sie stelle - wenn dies auch für die Rentenversicherung gelte - einen formlosen Antrag auf Witwenrente zur Versicherungsnummer (VN) ... (VN des H.B. bei der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd) „sowie nach dem vorletzten Ehegatten zu o.g. Versicherungsnummer“ (..., VN des...