Entscheidungsstichwort (Thema)
Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs. Bezug einer anderen Sozialleistung. Rente wegen voller Erwerbsminderung. Vergleichbarkeit der französischen Invaliditätsrente der Kategorie 2
Leitsatz (amtlich)
Die französische Invaliditätsrente der Kategorie 2 (Art L341-4, R341-5 Code de la sécurité sociale) ist mit der deutschen Rente wegen voller Erwerbsminderung vergleichbar, weshalb der Bezug der Invaliditätsrente zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nach § 156 SGB III führt.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23.05.2015 abgeändert. Der Erstattungsbescheid vom 27.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 06.03.2014 wird insoweit aufgehoben, als damit Arbeitslosengeld in Höhe von mehr als 2040,86 Euro zurückgefordert wird. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin 4/5 der außergerichtlichen Kosten des ersten Rechtszuges und 2/3 der außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten steht die Aufhebung und Erstattung von Arbeitslosengeld im Streit.
Die 1966 geborene Klägerin lebt im E.. Ab 1993 war sie als Grenzgängerin in Deutschland als Produktionsmitarbeiterin sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Im August 2009 erkrankte sie arbeitsunfähig und bezog nach Ende der Entgeltfortzahlung des Arbeitgebers bis zur Aussteuerung am 05.02.2013 Krankengeld (Bl. 12 der Verwaltungsakte).
Am 28.12.2012 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten mit Wirkung zum 06.02.2013 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld, welches die Beklagte mit Bescheid vom 04.03.2013 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 03.08.2013 für die Zeit vom 06.02.2013 bis 07.02.2014 mit einem Leistungsbetrag in Höhe von 36,09 Euro bewilligte (Bl. 1, 22 der Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 10.09.2013 gewährte der französische Sozialversicherungsträger der Klägerin rückwirkend ab dem 22.04.2013 eine französische Invalidenrente der Kategorie 2 in Höhe von vorläufig 3359,81 Euro brutto jährlich (Bl. 25 der Verwaltungsakte). Ein beim deutschen Rentenversicherungsträger gestellter Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung blieb ohne Erfolg (Bl. 41 der Verwaltungsakte).
Die Klägerin informierte die Beklagte am 25.09.2013 zunächst telefonisch über die Gewährung der französischen Invalidenrente und reichte in der Folgezeit den entsprechenden Bewilligungsbescheid zu den Akten, welcher am 29.11.2013 bei der Beklagten einging.
Nach Anhörung der Klägerin mit Schreiben vom 05.12.2013 (Bl. 31, 34 der Verwaltungsakte) hob die Beklagte mit Bescheid vom 27.01.2014 die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 22.04.2013 wegen des Anspruchs auf eine ausländische Sozialleistung gemäß § 156 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) und § 48 Abs. 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) iVm. § 330 Abs. 3 SGB III auf (Bl. 44 ff. der Verwaltungsakte). Mit weiterem Bescheid vom 27.01.2014 forderte sie zudem die Erstattung des in der Zeit vom 22.04.2013 bis 30.11.2013 gewährten Arbeitslosengeldes in Höhe von 7903,71 Euro gemäß § 50 SGB X (Bl. 49 ff. der Verwaltungsakte). Mit weiterem Bescheid vom 27.01.2014 forderte die Beklagte darüber hinaus die im genannten Zeitraum gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 2552,97 Euro (davon Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 2254,76 Euro sowie Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 298,21 Euro) zurück (Bl. 47 ff der Verwaltungsakte).
Mit Schreiben vom 05.02.2014 erhob die Klägerin hiergegen Widerspruch (Bl. 53 der Verwaltungsakte) und führte zur Begründung an, sie erhalte zwar eine französische Invalidenrente nach Kategorie 2, könne jedoch weiterhin eine Erwerbstätigkeit ausüben. Dies ergebe sich aus der Ablehnung ihres Antrags auf Rente wegen Erwerbsminderung durch den deutschen Rentenversicherungsträger. Da der Ruhenstatbestand des § 156 SGB III nur dann ausgelöst werde, wenn eine französische Invalidenrente der Kategorie 2 oder 3 bezogen würde und der Invalide keine Erwerbstätigkeit mehr ausüben könne, komme eine Anwendung des § 156 SGB III in ihrem Fall nicht in Betracht. Es mangele gerade am notwendigen Merkmal der fehlenden Erwerbsfähigkeit. Dieses Ergebnis müsse auch im Hinblick darauf gelten, dass die Zahlungen der Invalidenrente in Frankreich nur knapp 280 Euro monatlich betrügen und damit nicht mit einer vollen Rente wegen Erwerbsminderung vergleichbar seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.03.2014 (Bl. 62 der Verwaltungsakte) wies die Rechtsbehelfsstelle der Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Invaliditätsversicherung in Frankreich sei eine mit der Krankenversicherung verbundene Pflichtversicherung. Daraus erhielten die Versicherten bei Invalidität, die durch Krankheit, körperlichen Verschleiß oder einem nicht berufsbedingten Unfall hervorgerufen würde, eine Rente von ihrer Krankenversicherung. Diese Invalidenrente solle den Einkommensverlust ausgleichen und ...