Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzgeldanspruch. Abschluss eines Arbeitsvertrages im vorläufigen Insolvenzverfahren. Insolvenzereignis. keine erweiternde oder analoge Anwendung von § 165 Abs 3 SGB 3

 

Leitsatz (amtlich)

Insolvenzgeldansprüche können sich auch dann ergeben, wenn die Entgeltansprüche aufgrund eines Arbeitsverhältnisses entstanden sind, dass nach Einleitung des vorläufigen Insolvenzverfahrens aber vor dem Eintritt eines Insolvenzereignisses (hier Eröffnung des Insolvenzverfahrens) begründet wurde.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 31. März 2015 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Rechtszüge zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin für den Monat Juli 2014 Anspruch auf Insolvenzgeld hat.

Die Klägerin schloss zum 1. Juli 2014 mit der P. U. GmbH & Co. KG einen Arbeitsvertrag und war als Filialleiterin in W. beschäftigt.

Auf Antrag verschiedener Gläubiger ordnete zuvor das Amtsgericht B.-B. durch Beschluss vom 6. Juni 2014 zur Sicherung des Schuldnervermögens vor nachteiliger Veränderung gemäß § 21 Abs. 1 und 2 InsO die vorläufige Insolvenzverwaltung der P. U. GmbH & Co. KG an und bestimmte Rechtsanwalt Dr. K. zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Mit Beschluss vom 1. August 2014 eröffnete das Amtsgericht M. über das Vermögen der P. U. GmbH & Co. KG das Insolvenzverfahren und bestellte Rechtsanwalt Dr. K. zum Insolvenzverwalter.

Am 18. August 2014 beantragte die Klägerin für die Zeit vom 1. Juli 2014 bis 31. Juli 2014 die Bewilligung von Insolvenzgeld. Der Insolvenzverwalter bescheinigte ein noch nicht ausgezahltes Netto-Arbeitsentgelt i.H.v. 1321,59 €. Mit Bescheid vom 19. August 2014 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Insolvenzgeld ab, weil die Einstellung der Klägerin nach der Beantragung des Insolvenzverfahrens erfolgt sei und die Klägerin keine Schlüsselposition ausgeübt habe. Der Insolvenzverwalter teilte mit Schreiben vom 27. August 2014 mit, die Einstellung der Klägerin habe erfolgen müssen, um den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten. Daher habe diese eine Schlüsselposition inne gehabt. Den am 9. September 2014 erhobenen Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. September 2014 zurück. Eine Schlüsselposition der Klägerin sei nicht erkennbar. Die Schließung einer von zahlreichen Verkaufsstellen habe nicht die unmittelbare Betriebsschließung zur Folge.

Am 16. Oktober 2014 hat die Klägerin beim Sozialgericht Mannheim deswegen Klage erhoben. Zur Begründung der Klage hat sie auf die Ausführungen des Insolvenzverwalters im Widerspruchsverfahren Bezug genommen.

Das SG hat im Termin zur Erörterung des Sachverhalts vom 25. März 2015 die Klägerin persönlich angehört. Hierbei hat die Klägerin u. a. angegeben, sie habe den Kontakt zu der P. U. GmbH & Co. KG und zu dem damaligen Geschäftsführer Herrn F. über ihre Tochter erhalten, die vorgeschlagen habe, dass sie sich dort bewerbe. Zum 1. Juli 2014 habe sie in W. als Filialleiterin angefangen. Der Arbeitsvertrag sei ihr von Herrn F. ausgehändigt worden und diesen habe sie dann unterschrieben. Am 28. Juli 2014 habe sie einen neuen Arbeitsvertrag mit einer weiteren Gesellschaft von Herrn F. unterschrieben, da dieser ihr damals erstmals mitgeteilt habe, dass die P. U. GmbH & Co. KG insolvent sei. Sie habe bei Aufnahme der Tätigkeit keinerlei Kenntnis von einer Insolvenz der Gesellschaft gehabt. Insbesondere habe ihre Tochter, die bereits im April 2014 dort angefangen habe, keinerlei Kenntnis von einer Insolvenz gehabt. Sie habe dann mehrfach, als sie das Gehalt im Juli von Herrn F. bzw. von der P. U. GmbH nicht erhalten habe, telefoniert und um Zahlung gebeten. Eine Zahlung sei nicht erfolgt.

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 31. März 2015 den angefochtenen Bescheid aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, der Klägerin Insolvenzgeld vom 1. Juli 2014 bis 31. Juli 2014 zu gewähren. Der Umstand, dass der vorläufige Insolvenzverwalter und der Geschäftsführer im Zeitpunkt der Einstellung der Klägerin bereits von dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens Kenntnis gehabt hätten, führe nicht dazu, dass der Klägerin kein Anspruch auf Insolvenzgeld zustehe. Bereits der Wortlaut der Norm, wonach das legal definierte “Insolvenzereignis„ und nicht der bloße “Insolvenzantrag„ anspruchsbegründend sei, sei eindeutig. Ein Insolvenzereignis, von dem der Arbeitgeber oder die Klägerin hätten Kenntnis haben können, habe in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Juli 2014 nicht vorgelegen. Ferner führe § 165 Abs. 1 SGB III kein “subjektives Element„ in Form einer “Kenntnis oder Unkenntnis von einem Insolvenzereignis oder einem Insolvenzantrag„ als anspruchsbegründend oder -vernichtend auf. Allein bei § 165 Abs. 3 SGB III sehe der Gesetzgeber, bei bereits eingetretenem Insolvenzereignis, die “Unkenntnis des Arbeitnehmers als anspruchsbegründend an. Die gegenteilige S...

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