Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzgeldanspruch. Abschluss der Arbeitsverträge erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. keine Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit. Wirksamkeit des Arbeitsvertrags. Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters. Schlüsselposition im Betrieb

 

Leitsatz (amtlich)

Einem Anspruch auf Insolvenzgeld steht es grundsätzlich nicht entgegen, dass der zugrunde liegende Arbeitsvertrag erst nach Eröffnung des (vorläufigen) Insolvenzverfahrens geschlossen worden ist.

 

Normenkette

SGB III § 164 Abs. 1 S. 1, Abs. 3; BGB §§ 134, 138 Abs. 1; InsO § 1 S. 1, § 21

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 3. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Insolvenzgeld.

Der Geschäftsführer der F. Malerfachbetrieb und Fachmarkt GmbH (nachfolgend: GmbH), G., beantragte am 14. Juni 2012 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH.

Das Amtsgericht (AG) H. ordnete mit Beschluss vom 25. Juni 2012 (Aktenzeichen: I.) die vorläufige Insolvenzverwaltung an und bestellte Herrn Steuerberater J. (nachfolgend: B.) zum vorläufigen Insolvenzverwalter, der den Geschäftsbetrieb der GmbH im Rahmen der vorläufigen Insolvenzverwaltung weiterführte. In seinem für das AG H. erstellten Gutachten führte er aus, dass teilfertige Leistungen beendet und Neuaufträge zur Vermeidung von Schadensersatzansprüchen realisiert werden sollten, auch um Altforderungen zu erfüllen. Er empfahl die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zum 1. September 2012. Am 1. September 2012 eröffnete das AG H. mit Beschluss vom selben Tage das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH wegen Zahlungsunfähigkeit und bestellte B. zum Insolvenzverwalter. In dem Beschluss heißt es unter anderem:

“Dem Insolvenzverwalter wird die Genehmigung erteilt, für die in der Phase der vorläufigen Verwaltung erteilten Zahlungszusagen für Lieferungen und Leistungen in der vorläufigen Verwaltung, Zahlung im eröffneten Verfahren zu leisten.„

Der Kläger wurde ab dem 18. August 2012 aufgrund eines mündlichen Arbeitsvertrages beschäftigt. Der Insolvenzantrag sei ihm bekannt gewesen. Nach seinen Angaben habe es seinerzeit ein Gespräch mit dem Geschäftsführer der GmbH und dem vorläufigen Insolvenzverwalter B. gegeben, wobei B. seiner Einstellung zugestimmt habe, um zu gewährleisten, dass Aufträge abgewickelt würden. Ausweislich der Lohnabrechnung rechnete die GmbH das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis für den Monat August 2012 auf der Basis eines Bruttolohns von 1.159,19 Euro (756,79 Euro netto) ab.

Am 14. September 2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Insolvenzgeld in Höhe des Nettoarbeitsentgelts für August 2012 in Höhe von 756,79 Euro.

Dies lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 20. September 2012; Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 2012). Zur Begründung führte sie aus, dem Anspruch auf Insolvenzgeld stehe nach dem Sinn und Zweck der Regelung des § 165 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) entgegen, dass der Arbeitsvertrag im Insolvenzeröffnungsverfahren abgeschlossen worden sei. Mit der Korrektur der vorangegangenen Vorschrift des § 141b Arbeitsförderungsgesetz (AFG) sei die Bezugsberechtigung dahingehend erweitert worden, dass Insolvenzgeld/Konkursausfallgeld auch an Arbeitnehmer gezahlt würde, die gutgläubig Arbeit aufgenommen hätten. Erfolge die Einstellung durch oder mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters, komme ein Anspruch für diese Arbeitnehmer nicht in Betracht. Da bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses feststehe, dass das Arbeitsentgelt tatsächlich nicht gezahlt werde und der Arbeitgeber entgegen der gesetzlichen Vertragstypik nach § 611 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nur abhängig von der Masseausstattung das Entgelt entrichten solle, ziele eine derartige Vereinbarung regelmäßig von vornherein auf eine Belastung der Versichertengemeinschaft ab. Zudem werde das Versicherungsprinzip verletzt, weil sich derartige Vorgänge vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Krise/Insolvenz des Arbeitgebers abspielten.

Dagegen hat der Kläger am 31. Oktober 2012 Klage zum Sozialgericht (SG) Hildesheim erhoben. Er hat unter anderem vorgetragen, dass er nach erfolgreicher Durchführung des Insolvenzverfahrens seinen Arbeitsplatz behalten habe.

Das SG hat mit Urteil vom 3. Dezember 2014 den Bescheid der Beklagten vom 20. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Oktober 2012 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Insolvenzgeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen des § 165 SGB III erfüllt seien. Zur Überzeugung des SG stehe nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung fest, dass der Kläger mit der GmbH einen mündlichen Arbeitsvertrag geschlossen habe und der vorläufige Inso...

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