Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Geltung der Berufungsbeschränkung gem § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG. Leistungen des Unfallversicherungsträgers: Verletztengeld, Aufwendungsersatz und Verdienstausfall für inhaftierten Versicherten. Ersatz für das in der Justizvollzugsanstalt erwirtschaftete Arbeitsentgelt: Eigengeld im Sinne des § 52 StVollzG. Erfüllungswirkung. Sozialgeheimnis. Sozialdatenschutz: Bekanntgabe von schriftlichen Verwaltungsakten und Widerspruchsbescheiden. Zustellung an die JVA
Leitsatz (amtlich)
1. Die Berufungsbeschränkung des § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG gilt nur für Klagen, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt zum Gegenstand haben. Andere, nicht auf diese Streitgegenstände gerichtete Klagen können zur Berechnung des Beschwerdewerts den in § 144 SGG erfassten Klagen nicht hinzugerechnet werden.
2. Zahlungen des Unfallversicherungsträgers, die das in der Justizvollzugsanstalt erwirtschaftete Arbeitsentgelt ersetzen oder sonst aus Anlass eines in der Justizvollzugsanstalt eingetretenen Versicherungsfalls geleistet werden, gehören zum Eigengeld im Sinne des § 52 StVollzG, weshalb Zahlungen auf das bei der Justizvollzugsanstalt geführte Eigengeldkonto des inhaftierten Versicherten Erfüllungswirkung zukommt, auch wenn der Versicherte dieser Zahlungsweise widersprochen hat.
3. Die gemäß § 29 Abs 3 StVollzG der Justizvollzugsanstalt eingeräumte Befugnis zur Überwachung des Schriftwechsels der Gefangenen berechtigt den Unfallversicherungsträger nicht, Sozialdaten des Versicherten der Justizvollzugsanstalt zu offenbaren.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 29.10.2014 abgeändert und
der Beklagten untersagt,
Bescheide und Widerspruchsbescheide offen an die die Justizvollzugsanstalt zuzustellen bzw. zu übersenden sowie
Mehrfertigungen von Bescheiden und Widerspruchsbescheiden an die Justizvollzugsanstalt zu übersenden.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger 1/4 seiner außergerichtlichen Kosten in beiden Instanzen zu erstatten.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird abgelehnt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Zahlung von Verletztengeld und Aufwendungsersatz bzw. Verdienstausfall sowie die Feststellung, dass Zahlungen auf das Haftkonto keine schuldbefreiende Wirkung haben und die Unterlassung der offenen Übersendung von Bescheiden und Widerspruchsbescheiden an die JVA streitig.
Der 1975 geborene Kläger war zunächst Häftling der Justizvollzugsanstalt (JVA) U., zuletzt befindet er sich in der JVA O.. In der JVA U. war der Kläger in der Schreinerei an der Plattensäge tätig gewesen.
Der Kläger stellte sich am 22.11.2013 beim Durchgangsarzt Dr. F. vor, der eine Zerrung des linken Schultergürtels angab (Blatt 1 der Beklagtenakte; zur Unfallanzeige der JVA vgl. Blatt 5 der Beklagtenakte); er habe am 06.11.2013 eine über 100 kg schwere Holzplatte heben müssen, sein Kollege habe losgelassen und er die volle Last abbekommen. Dr. F. gab an, der Kläger sei ab 22.11.2013 arbeitsunfähig. Arbeitsfähigkeit trete voraussichtlich am 25.11.2013 wieder ein. In seinem Nachschaubericht vom 13.12.2013 (Blatt 6 der Beklagtenakte) hielt Dr. F. den Kläger ab 22.12.2013 wieder für arbeitsfähig (zu Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für die Zeit vom 22.11.2013 bis 29.11.2013 vgl. Blatt 177 der Beklagtenakte).
Der Beklagte berechnete mit Bescheid vom 15.01.2014 (Blatt 42/43 der Beklagtenakte) Verletztengeld für den 22.11.2013, sowie für den Zeitraum vom 23.11.2013 bis 29.11.2013 in Höhe von insgesamt 58,18 € und zahlte diesen Betrag an das für den Kläger bei der JVA geführte Haftkonto. Mit Schreiben vom 28.01.2014 (Blatt 113 der Beklagtenakte) teilte der Kläger unter Angabe näherer Daten mit, Zahlungen seien an das Konto des A. K. zu leisten.
Der Kläger erhob mit Schreiben vom 01.02.2014 Widerspruch (Blatt117 der Beklagtenakte); Verletztengeld müsse aus Lohnstufe drei zuzüglich Zulagen berechnet werden, auch Zeiten der Begutachtung etc. berücksichtigt werden. Zudem seien 1,20 € Porto zu erstatten.
Am 06.02.2014 erfolgte zu Lasten der Beklagten eine MRT-Untersuchung der linken Schulter bei Dr. H. (zum Bericht vgl. Blatt 136 der Beklagtenakte).
Die JVA teilte mit Schreiben vom 14.02.2014 (Blatt 129 der Beklagtenakte) der Beklagten mit, bei der Berechnung des Verletztengeldes sei die Lohnstufe 3 für das Jahr 2013 (1,62 €/Stunde) verwendet worden, zusätzlich die Leistungszulage von 4 %, sodass sich bei 7,7 Stunden x 1,62 € x 20 Tage ein Betrag von 249,48 € zuzüglich 4 % Leistungszulage (9,98 €), mithin insgesamt 259,46 €, ergebe.
Mit Fax vom 15.02.2014 (Blatt 153/154 der Beklagtenakte) wandte sich der Kläger u.a. gegen die Verletztengeldberechnung. Es seien Lohnstufe 3 und 5 % Zulage für eine Arbeitszeit von 6:48 Uhr bis 16:00 Uhr (abzüglich einer Stunde Pause) und der Verdienstausfall für den 06.02.2014 (ab 9:00 Uhr) zu bezahlen. Zahlungen seien au...