Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Zurückweisung eines Bevollmächtigten. Vertretungsberechtigung eines Rentenberaters auf dem Gebiet des Schwerbehindertenrechts. registrierter Erlaubnisinhaber. Alterlaubnis. konkreter Renten- und Versorgungsbezug. grundsätzlich keine Vertretungsbefugnis für unter 60-jährige Antragsteller. rechtswidrige einschränkungslose Registrierung. Drittbindungswirkung der Registrierung gegenüber Behörden und Gerichten
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Erlaubnis zur außergerichtlichen Rechtsdienstleistung kann sich aus der erteilten Alterlaubnis ergeben und/oder aus der im Rechtsdienstleistungsregister erfolgten Registrierung.
2. Eine Registrierung eines Rentenberaters ist ein Verwaltungsakt.
3. Eine Registrierung, die den zuvor erteilten Erlaubnisumfang übersteigt, entfaltet gleichwohl Bindungswirkung. Bei der Prüfung der Vertretungsbefugnis von Rentenberatern sind Behörden und Gerichte an den Bescheid der Registrierungsbehörde gebunden.
Orientierungssatz
1. Ein Rentenberater ist auf dem Gebiet des Schwerbehindertenrechts auch ohne konkreten Renten- oder Versorgungsbezug vertretungsbefugt, wenn er nach § 1 Abs 3 RDGEG einschränkungslos als Inhaber einer "Erlaubnis zur geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten auf dem Gebiet des Schwerbehindertenrechts" registriert worden ist (entgegen LSG Stuttgart vom 6.4.2018 - L 6 U 418/18).
2. Wird die Alterlaubnis von der Registrierungsbehörde ohne Regelungskompetenz rechtswidrig erweitert, ist der Verwaltungsakt nicht nach § 43 Abs 3 VwVfG BW 2005 oder § 44 Abs 1 VwVfG BW 2005 nichtig, sondern wirksam.
3. Eine rechtmäßige Erweiterung der Alterlaubnis um den Sachbereich "Rentenberatung" erstreckt sich grundsätzlich nur auf eine Vertretung mit konkretem Renten- oder Versorgungsbezug (vgl BSG vom 16.12.2014 - B 9 SB 3/13 R = SozR 4-1200 § 66 Nr 7).
4. Eine Vertretungsbefugnis durch einen Rentenberater zur Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft seines Mandanten im Schwerbehindertenverfahren ist vor der Vollendung des 60. Lebensjahres des Mandanten grundsätzlich nicht gegeben (so auch LSG Stuttgart vom 29.11.2012 - L 8 SB 2721/12).
5. Ein konkreter Renten- oder Versorgungsbezug ergibt sich nicht aus den Regelungen des § 109 SGB 6 (Renteninformation und Rentenauskunft), des § 187a SGB 6 (Zahlung von Beiträgen bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Rente wegen Alters) und auch nicht aus der abhängig von der Höhe eines GdB erfolgenden Besteuerung von Renten.
6. Dem in der Schwerbehindertenangelegenheit eingeleiteten Widerspruchsverfahren kommt ein so erhebliches Gewicht zu, dass die darauf bezogene Rechtsdienstleistung für einen Rentenberater nicht den Charakter einer Nebenleistung iS des § 5 Abs 1 RDG hat.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 2. März 2017 aufgehoben und festgestellt, dass der Bescheid des Beklagten vom 27. Oktober 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Dezember 2016 rechtswidrig und der Kläger berechtigt gewesen ist, in der Schwerbehindertenangelegenheit des Herrn A. B. gegenüber dem Beklagten aufzutreten.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte den, sich als Rechtsbeistand für Sozial- und Rentenrecht bezeichnenden Kläger zu Recht in einem auf die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) gerichteten Widerspruchsverfahren als Bevollmächtigten zurückgewiesen hat.
Aus der vom Senat beigezogenen, beim Landgericht (LG) Karlsruhe über den Kläger geführten Akte E 3712-479 ergibt sich in Bezug auf die dem Kläger erteilten Erlaubnisse und die Registrierungen Folgendes:
Der Präsident des Amtsgerichts (AG) Karlsruhe erteilte mit Verfügung vom 20.09.1977 aufgrund Art. 1 § 1 Rechtsberatungsgesetz (RBerG) und § 11 Erste Ausführungsverordnung zum RBerG die Erlaubnis zur Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten mit der Beschränkung auf das Rechtsgebiet der gesetzlichen Rentenversicherung und ohne Geltung für die mündliche Verhandlung vor Gericht. Die Bekanntmachung erfolgte im Staatsanzeiger für Baden-Württemberg, Ausgabe Nr. 76 vom 24.09.1977. Sodann erteilte der Präsident des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg mit Urkunde vom 14.11.1977 die Erlaubnis zum mündlichen Verhandeln vor dem Sozialgericht (SG) Karlsruhe und dem LSG Baden-Württemberg auf dem Gebiet der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Präsident des AG Karlsruhe erweiterte die Erlaubnis mit Verfügung vom 14.04.1980 auf das Gebiet der Berechnung von Rentenanwartschaften und Aussichten auf eine Versorgung gemäß § 1587a Abs. 2 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und §§ 1304 ff. Reichsversicherungsordnung (RVO), ohne Geltung für die mündliche Verhandlung vor Gericht. Die Bekanntmachung erfolgte im Staatsanzeiger für Baden-Württemberg, Ausgabe Nr. 33 vom 23.04.1980. Ferner erteilte der Präsident des AG Karlsruhe...