Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuordnung von nach dem FRG zu berücksichtigenden Beitragszeiten zu einer Qualifikationsgruppe der Anl 13 zum SGB 6. Qualifikationsaufstieg wegen langjähriger Berufserfahrung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Einstufung einer Tätigkeit in eine bestimmte Qualifikationsgruppe kommt es nicht nur auf die Erfüllung der für die entsprechende Gruppe in der Anl 13 zum SGB VI aufgeführten formalen Qualifikationsmerkmale, sondern darüber hinaus auch auf die Ausübung der entsprechenden Tätigkeit an (vgl hierzu im Einzelnen: BSG vom 14.5.2003 - B 4 RA 26/02 R = SozR 4-2600 § 256b Nr 1 = juris RdNr 32 - 36).

2. Nicht die Tätigkeiten an sich, sondern die Fähigkeiten, die Tätigkeiten zu verrichten, führen zu einer Einstufung in eine höhere Qualifikationsgruppe. Dies schließt aus, Tätigkeiten, die zwar artverwandt sind, jedoch nicht das entsprechende Qualifikationsniveau erreichen, bei der Ermittlung der langjährigen Berufserfahrung mit einzubeziehen. Ein automatisches Hineinwachsen in eine höhere Qualifikationsgruppe ist gerade nicht möglich.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Stuttgart vom 26.04.2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten steht im Wege eines Überprüfungsverfahrens die Einstufung der polnischen Beitragszeiten der Klägerin vom 25.10.1967 bis 10.12.1970 und vom 20.04.1971 bis 27.10.1988 in die Qualifikationsgruppe 2 statt 4 in Streit.

Die 1948 in Polen geborene Klägerin führt bei der Beklagten ein Rentenversicherungskonto und bezieht von dieser seit dem 01.01.2010 eine Altersrente. Sie zog am 16.04.1989 aus Polen in das Bundesgebiet zu und ist als Vertriebene im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) anerkannt.

Die Klägerin absolvierte bis 1967 eine fünfjährige Ausbildung am Technikum der Industrie für Baubindestoffe in O1/Polen und war berechtigt, die Berufsbezeichnung Chemie-Technikerin zu führen (Bl. 12 Bd. I Verwaltungsakte der Beklagten, im Folgenden: VA). Vom 25.10.1967 bis 15.04.1969 war sie im Bezirksverband der Gemeindegenossenschaften „Bäuerliche Selbsthilfe“ in O1 - ehemaliger Betrieb für Fertigteile und Baudienstleistungen - als Laborantin in der Produktionsabteilung und für Technische Überwachung (Bl. 14 Bd. I VA), vom 24.04.1969 bis 10.12.1970 im Stickstoffwerk K1 als Facharbeiterin in der Versuchsproduktion (Bl. 15 Bd. I VA), vom 20.04.1971 bis 30.07.1976 im B1, vom 01.09.1976 bis 28.04.1977 im „1 Abteilung IV in C1 als Fachkraft für Organisation und Innenkontrolle (Bl. 18 Bd. I VA), vom 15.12.1977 bis 27.02.1982 im Kommunalen Straßenbauunternehmen in L1 als Versorgungsinspektorin, Leiterin der Verwaltungsorganisationsabteilung und Leiterin der Verwaltungsabteilung (Bl. 20 Bd. I VA), vom 01.09.1982 bis 14.04.1986 im Elektrifizierungsbetrieb und für Technische Bedienung der Landwirtschaft „E1“ in L1 als Fachkraft für Materialwirtschaft und hierbei als Inspektorin in der Versorgungs- und Materialabteilung, in der Gruppe Realisierung der Lieferungen innerhalb der Versorgungs- und Materialabteilung sowie als Oberinspektorin in der Versorgungs- und Materialabteilung (Bl. 22 Bd. I VA), vom 25.04.1986 bis 31.05.1986 in der Sozialversicherungsanstalt Abteilung L1 als Inspektorin (Bl. 25 Bd. I VA) und vom 02.06.1986 bis 27.10.1988 in der Produktions- und Dienstleistungsabteilung des W1 in L1 als Oberinspektorin (Bl. 27 Bd. I VA) tätig.

Im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens führte die Klägerin aus, sie sei vom 20.04.1971 bis 15.12.1977 (Schreiben vom 31.08.2001, Bl. 55 Bd. I VA) in der technischen Abteilung einer Transportfirma als Inspektor und später als sog. „älterer Inspektor“ beschäftigt gewesen und habe die technische Bereitschaft der Firma berechnet, Baudienstleistungen zu leisten, und sei für Waren, Baumaschinen, Baustoffe und Inventur verantwortlich gewesen. Zuletzt habe sie Aufgaben als Spezialistin für Organisation und Firmenkontrolle gehabt. Danach sei sie in ein Staatsunternehmen für den Straßenbau gewechselt und als Inspektor in der Einkaufsabteilung eingesetzt worden, wo sie für die Erstellung von Plänen des Materialbedarfs für Straßenbauarbeiten und nach kurzer Zeit als Leiterin der Verwaltungs- und Organisationsabteilung eingesetzt worden sei. Ab dem 01.09.1982 sei sie in einem Unternehmen für Elektrifizierung und technische Dienstleistungen für die Landwirtschaft in der Abteilung für Beschaffung und Materialwirtschaft als Inspektor, älterer Inspektor und schließlich als Spezialistin für die Materialwirtschaft beschäftigt gewesen. Sie habe Bestellungen von Baumaterialien durchgeführt, deren Qualität überwacht und Bauinvestitionen geprüft. Nach einer kurzen Tätigkeit bei der Firma P2 sei sie ab dem 02.06.1986 als Oberinspektorin in der Organisationsabteilung von Dienstleistungen W1 tätig geworden, bis zur ersten Ausreise im Oktober 1988.

Am 19.02.2004 erhob die Klägerin erstmals Klage gegen die Beklagte beim Sozialgericht Stu...

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