Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. sachlicher Zusammenhang. Handlungstendenz. unmittelbarer Weg. Abweg. Zeitpunkt. Zeugenvernehmung. Rechtsmissbräuchlichkeit eines Beweisantrags. Substantiierungspflicht
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Abweg kann frühestens dann angenommen werden, wenn der Arbeitsweg eindeutig verlassen wird.
2. Gegenstand der Zeugenvernehmung sind nur konkrete Wahrnehmungen.
3. Zur Rechtsmissbräuchlichkeit eines allein auf Ausforschung gerichteten Beweisantrags.
4. Zur Substantiierungspflicht bei einem Beweisantrag.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 7. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der tödliche Verkehrsunfall des Ehemanns der Klägerin vom 14.11.2007 als Wegunfall anzuerkennen ist und der Klägerin daher Hinterbliebenenleistungen zustehen.
Der 1967 geborene Ehemann, F. H. (im Folgenden: FH), der Klägerin war am 14.11.2007, dem Tag des Verkehrsunfalls, als Maschinenschlosser bei der F GmbH, V., (heute: P. GmbH, M.) beschäftigt. FH wohnte zum damaligen Zeitpunkt mit der Klägerin, die als Krankenschwester im Universitätsklinikum M., seit 01.01.1995 beschäftigt war, in H. Am Mittwoch, den 14.11.2007 verließ FH mit der Klägerin gegen 6.45 Uhr die eheliche Wohnung, um zunächst die Klägerin, die ebenso wie der Kläger um 7.30 Uhr ihre Arbeit anzutreten hatte, zum Klinikum M. zu bringen. Dort kamen sie gegen 7.10 Uhr an (vgl. Sitzungsniederschrift vom 07.10.2009, Bl. 42 SG-Akte). Kurz vor 7.28 Uhr verunfallte der Kläger mit seinem Pkw Escort, in V. im Einmündungsbereich der G.-H.-B.-Straße/L 3111, ca. 400 m (Luftlinie) von seinem Arbeitsplatz in V., entfernt. Er verstarb an den Folgen des Unfalls (Schädel-Hirn-Trauma) am selben Tag im Klinikum M, wobei die tödlichen Verletzungen schon bei dem ersten Zusammenstoß mit dem aus Richtung Süden auf der L 3111 fahrenden Lkw, bei dem die ganze Fahrerseite eingedrückt wurde, entstanden (Bl. 12 Ermittlungsakte-Akte der Staatsanwaltschaft Darmstadt, im Folgenden: Ermittlungsakte). Um 7.28 Uhr wurde der Polizeistelle L.-V. ein schwerer Verkehrsunfall in V., Höhe B.-Tankstelle, gemeldet (Bl. 2 Ermittlungsakte). In der Verkehrsunfallanzeige vom 14.11.2007 nahm Polizeikommissar (PK) K. aufgrund der Aussagen der beiden am Unfall beteiligten Lkw-Fahrer auf, FH sei von der G.-H.-B.-Straße nach links in die L 3111 eingebogen und habe die Vorfahrt des sich aus südlicher Richtung nähernden Lkws missachtet. Infolge des Zusammenstoßes sei FH auf den Fahrstreifen des Gegenverkehrs geschleudert worden und dort mit dem aus Richtung Norden herannahenden Lkw kollidiert. In seiner schriftlichen Zeugenaussage vom 19.12.2007 gab der aus Norden kommende Lkw-Fahrer, R. S., an, er sei auf der L 3111 von H. in Richtung Autobahn 659 gefahren und habe beobachtet, wie ein Pkw von ihm aus gesehen links von einer Seitenstraße auf die L 3111 zufuhr (Bl. 23 Ermittlungsakte). Der Fahrer habe kurz angehalten und sei dann nach links auf die L 3111 in Richtung Autobahn eingebogen. Der auf der L 3111 aus Richtung Autobahn kommende Lkw habe nach links ausweichen müssen und sei in die linke Fahrzeugseite des Pkw geprallt. Durch den Aufprall sei der Pkw auf seine Fahrbahn, direkt vor seinen Lkw geschleudert worden. Er gehe davon aus, dass der Fahrer des Pkw den Lkw übersehen habe. Im Sachverständigengutachten des Dipl.-Ing. R. F. vom 11.01.2008 wird u.a. darauf hingewiesen, dass keineswegs ausgeschlossen werden könne, dass FH ohne anzuhalten in die L 3111 eingefahren sei. Eine Unfallskizze wurde nicht erstellt (hierzu kritisch auch Oberstaatsanwalt A., Bl. 61 Ermittlungs-Akte), die genaue Position des Fahrzeugs von FH zum Zeitpunkt der ersten Kollision wurde nicht ermittelt.
Ohne den Fahrer des aus Richtung Süden kommenden, mit dem Pkw von FH zuerst kollidierenden Lkws, M. Sch., polizeilich als Zeugen oder Beschuldigten zu vernehmen (vgl. handschriftlicher Vermerk vom 23.07.2008, Bl. 76 Ermittlungsakte), stellte die Staatsanwaltschaft Darmstadt das gegen ihn wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung eingeleitete Ermittlungsverfahren mit Verfügung vom 18.02.2008 nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung ein. In den Gründen hierzu wird ausgeführt, FH sei nach links in die L 3111 eingebogen und habe dabei offenbar den mit rund 50 km/h herannahenden Lkw des Beschuldigten übersehen.
Unter dem 11.03.2008 kam der Berufshelfer der Beklagten aufgrund seiner Vorortermittlungen zu dem Ergebnis, der direkte Weg von M. kommend zur “Unfallfirma„ wäre die L 3111 gewesen bis zum Kreisel in Höhe O., wo nach links abzubiegen gewesen wäre, um sodann im Kreuzungsbereich O/F-H.-Straße nach rechts abzubiegen und nach wenigen Metern in der V.str. zu sein. Im Kreuzungsbereich G.-H.-B.-Straße/D.-W.-Straße befinde sich eine B.-Tankstelle sowie eine Waschstraße. Von dort wäre auch nach Navigationsgerä...