Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. sachlicher Zusammenhang. Unterbrechung des versicherten Weges. Handlungstendenz. eigenwirtschaftliche Tätigkeit. betriebliche Tätigkeit. Vorbereitungshandlung. Tanken

 

Orientierungssatz

1. Zur Unterbrechung des Versicherungsschutzes genügt nicht allein die innere Absicht, eine private Verrichtung vorzunehmen (hier: Tanken auf dem Weg zur Arbeit). Vielmehr kommt es entscheidend auf die Änderung der Handlungstendenz weg von der Zurücklegung des durch die versicherte Tätigkeit veranlassten Weges hin zu einer dem unversicherten privaten Bereich zuzurechnenden Verrichtung an, wobei sich diese Handlungstendenz an objektiv erkennbaren Umständen zeigen muss.

2. Die Einleitung des Abbiegens zur Tankstelle durch Verlangsamung des Fahrzeugs und Setzen des Blinkers manifestiert in diesem Sinne ausreichend die Annahme einer Änderung der Handlungstendenz, auch wenn der Versicherte sich beim Unfall noch auf der eigenen Fahrbahnhälfte befand.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 09. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass ein Arbeitsunfall (Wegeunfall) vorliegt.

Der 1962 geborene und als Kranführer beschäftigte Kläger befuhr am 01. Oktober 2004 mit seinem Motorroller (Typ Meteorit, Baujahr 1999, Hubraum 49 ccm, Taiwan Golden Bee___AMPX_’_SEMIKOLONX___Xs) gegen 06:45 Uhr von seiner Wohnung in S kommend die Bundesstraße 109 in Richtung B mit dem Endziel B-M, Lstraße, Justizgebäude, wo seine damalige Arbeitsstätte war. An der Tankstelle “O„ in S beabsichtigte der Kläger, aufzutanken. Hierzu musste er nach links zur Tankstelle abbiegen, er verringerte deshalb die Geschwindigkeit auf ca. 20 km/h und setzte den Blinker. Er stieß mit einem PKW zusammen, der aus der Tankstelleneinfahrt in die Bundesstraße 109 in Richtung B einbog und dessen Fahrer den Kläger auf dem Motorroller übersehen hatte (s. auch Verkehrsunfallanzeige der Polizei vom 01. Oktober 2004). Der die Tankstelle verlassende Pkw-Fahrer J D gab im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen an, der Zusammenprall habe sich auf der ihm “zugewandten„ Straßenseite ereignet (Erklärung vom 13. Oktober 2004). Der Kläger selbst gab als geschädigter Zeuge an, er sei nach dem Zusammenstoß nach rechts auf die Gegenfahrbahn gefallen (Erklärung vom 18. Oktober 2004).

Der Durchgangsarzt Dr. S befundete am linken Unterschenkel eine Schwellung distal, Schmerzen und Bewegungseinschränkung (Durchgangsarztbericht vom 01. Oktober 2004). Die röntgenologische Untersuchung des linken Unterschenkels und des linken Sprunggelenks ergab eine bimalleoläre Sprunggelenks-Fraktur, die operativ behandelt wurde (Bericht des H Klinikum B vom 22. Oktober 2004: Weber-B-Fraktur einfach, mit Innenknöchelfraktur und Ruptur der vorderen Syndesmose, geschlossen).

Im Rahmen der Ermittlungen der Beklagten gab der Kläger in der Unfallanzeige an, die Fahrt von 24 km dauere - bei unstreitig kürzester bzw. verkehrsgünstigster Strecke - bei Zurücklegung mit dem Motorroller ca. 1 Stunde. Der Weg von S über S habe dem gewöhnlichen Weg entsprochen, es sei kein Umweg gewesen, er habe keine Besorgungen gemacht, keine Gaststätte und keinen Arzt aufgesucht. Des Weiteren erklärte der Kläger, er sei noch nicht abgebogen gewesen und der Unfall wäre sicherlich auch passiert, wenn er nicht abgebogen wäre, weil der Unfallverursacher ihn überhaupt nicht gesehen habe. Sein Motorroller verfüge zwar über eine Tankanzeige, diese sei aber relativ ungenau, so dass er bei Aufleuchten der Reserveanzeige bei der ersten Gelegenheit, dies sei in S gewesen, habe tanken wollen (Schreiben vom 01. November 2004). Er reichte eine von ihm gefertigte Unfallskizze zur Akte.

Die Beklagte zog die Akte des Verkehrs-Strafverfahrens [2a Cs 201 Js 20456/04 (56/05)] vom Amtsgericht B bei und nahm Kopien der Verkehrsunfallaufnahme der Polizei sowie der schriftlichen Aussagen der Unfallzeugen C S, S K und J D und des Klägers zur Akte.

Die Beklagte lehnte es mit Bescheid vom 07. September 2005 ab, dem Kläger eine Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen des Ereignisses vom 01. Oktober 2004 zu gewähren, da ein Arbeitsunfall nicht vorliege. Das Abbiegen vom versicherten Weg, das eigenwirtschaftlichen Zwecken diene, unterbreche den Versicherungsschutz so lange, bis die Fortbewegung auf das ursprüngliche Ziel wieder aufgenommen werde. Der Kläger sei zum Unfallzeitpunkt bereits fest entschlossen gewesen, die unmittelbare Zurücklegung des Weges zum Ort der Tätigkeit durch das Tanken zu unterbrechen, so dass die Fortbewegung, während der der Unfall geschehen sei, dem Betanken des eigenen Fahrzeugs und nicht der Zurücklegung des Weges zur Arbeit gedient habe. Das Tanken bei Antritt des Weges oder unterwegs sei aber grundsätzlich eigenwirtschaftlich und gehöre damit dem unversicher...

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