Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld. Erstattungspflicht des Arbeitgebers. Befreiungstatbestand. Anhörungspflicht. Sachaufklärungspflicht

 

Orientierungssatz

1. Zum Nichtvorliegen von Befreiungstatbeständen nach § 128 Abs 1 S 2 AFG und von verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung des § 128 AFG.

2. Zur Frage, ob der nach § 128 AFG iVm § 24 SGB 10 bestehenden Anhörungspflicht des Arbeitgebers Genüge getan wurde, wenn der Arbeitgeber erst nach dem Ende des Leistungsbezuges angehört und das Ergebnis der Befragung des Arbeitslosen zu seinem Gesundheitszustand nur teilweise bzw nicht konkret mitgeteilt wurde und ob im Rahmen der Amtsermittlungspflicht hinreichende Ermittlungen zu anderweitigen Sozialleistungsansprüchen des Arbeitslosen erfolgt sind.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Pflicht zur Erstattung des ihrem früheren Arbeitnehmer Hermann B (AN) von der Beklagten gezahlten Arbeitslosengeldes sowie der Beiträge zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung.

Der ... 1939 geborene AN war vom 01.08.1966 bis 28.12.1997 (zuletzt) als Materialdisponent bei den Firmen M AG bzw. D AG, den Rechtsvorgängerinnen der Klägerin, beschäftigt. Nach Angaben der D AG in der von ihr vorgelegten Arbeitsbescheinigung wurde das Arbeitsverhältnis, dessen Kündigung tarifvertraglich unbefristet ausgeschlossen war, am 30.07.1997 zum 28.12.1997 durch einen Auflösungsvertrag beendet. AN erhielt aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung in Höhe von DM 37.177,--.

AN meldete sich am 14.11.1997 beim Arbeitsamt L (AA) arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg). Er hielt seine Vermittlungsfähigkeit für nicht eingeschränkt. Zum Grund des Ausscheidens gab er am 14.01.1998 an, es handele sich um einen Auflösungsvertrag im Rahmen der Vorruhestandsregelung. Gesundheitliche Gründe lägen nicht vor.

Mit Bescheid vom 24.02.1998 stellte das AA den Eintritt einer Sperrzeit vom 29.12.1997 bis 22.03.1998 mit einer Minderung der Anspruchsdauer um 243 Tage fest. Ebenfalls mit Bescheid vom 24.02.1998 stellte das AA das Ruhen des Anspruchs wegen der erhaltenen Abfindung nach § 117 AFG fest bis zum 17.02.1998. Mit demselben Bescheid stellte das AA das Ruhen des Anspruchs wegen der erhaltenen Abfindung nach § 117a AFG vom 23.03.1998 bis 28.03.1998 sowie eine weitere Minderung des Anspruchs um 6 Tage fest.

Mit weiterem Bescheid vom 24.02.1998 bewilligte das AA Alg ab 29.03.1998 in Höhe von DM 80,69 täglich (Bemessungsentgelt DM 1.530, Leistungsgruppe C/O; Leistungstabelle 1998). Der tägliche Leistungssatz betrug ab 29.12.1998 DM 81,56, und ab 01.01.1999 DM 82,25.

Ab 01.01.2000 bezog AN Rente.

Das AA befragte AN am 24.09.1998 zur Entwicklung der gesundheitlichen Verhältnisse in den letzten zwei Beschäftigungsjahren sowie in der Zeit vom 29.12.1997 bis 28.09.1998, zu Arbeitsunfähigkeitszeiten und zu Anträgen auf andere Sozialleistungen. Hierzu gab AN am 29.09.1998 an, er habe keine krankheitsbedingten Fehlzeiten gehabt und er sei nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Er habe auch keine Sozialleistungen der gefragten Art beantragt gehabt.

Anschließend unterrichtete das AA die (Rechtsvorgängerin der) Klägerin über die Erstattungspflicht nach § 128 AFG für die Zeit vom 29.03.1998 bis 28.09.1998 in Höhe von DM 26.231,40 und gab ihr Gelegenheit, sich bis zum 30.12.1998 zu äußern. Die Befragung des AN hinsichtlich etwaiger Veränderungen des Gesundheitszustandes sei ergebnislos geblieben (Schreiben vom 01.12.1998).

Nach erfolglosem Fristablauf stellte das AA mit Bescheid vom 20.01.1999 die Verpflichtung der Klägerin fest, das AN gezahlte Alg sowie die hierauf entfallenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung für die Zeit vom 29.03.1998 bis 28.09.1998 zu erstatten. Den Erstattungsbetrag errechnete es wie folgt:

Alg (184 Leistungstage)

DM 14.846,96

Beiträge zur Krankenversicherung

DM 4.327,68

Beiträge zur Rentenversicherung

DM 6.531,26

Beiträge zur Pflegeversicherung

DM 525,50

Insgesamt

DM 26.231,40

Am 04.02.1999 erhob die Klägerin Widerspruch gegen diesen Bescheid.

Das AA befragte AN am 19.01.1999 zur Entwicklung der gesundheitlichen Verhältnisse in der Zeit vom 29.09.1998 bis 31.12.1998, zu Arbeitsunfähigkeitszeiten und zu Anträgen auf andere Sozialleistungen. AN gab hierzu an, eine Veränderung seines Gesundheitszustandes sei nicht eingetreten.

Das AA befragte AN am 30.03.1999 zur Entwicklung der gesundheitlichen Verhältnisse in der Zeit vom 01.01.1999 bis 31.03.1999, zu Arbeitsunfähigkeitszeiten und zu Anträgen auf andere Sozialleistungen. AN gab hierzu am 21.01.1999 und am 17.04.1999 an, er leide seit 14.01.1999 an einer Harnleiterstenose und einem Nierenkarzinom (stationäre Behandlung vom 14.01.1999 bis 08.02.1999). Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte teilte mit, AN habe eine Anschlussheilbehandlung mit Übergangsgeldbezug vom 16.02.1999 bis 23.03.1999 erhalten und sei arbeitsunfähig entlassen worden. Das AA hob daher die Be...

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