Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung. Prüfung wirtschaftlichen Alternativverhaltens. Fallzusammenführung. keine ex-post-Betrachtung. Zugrundelegung der Erkenntnisse zum Zeitpunkt der Entlassung aus der ersten stationären Behandlung. Beurlaubung nicht erforderlich, wenn noch kein Therapieplan mit Indikation zur Weiterbehandlung vorliegt. Anforderungen an eine Aufrechnung nach § 9 PrüfvV 2015
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Prüfung wirtschaftlichen Alternativverhaltens ist keine ex-post-Betrachtung vorzunehmen, sondern danach zu fragen, ob unter Zugrundelegung der Erkenntnisse zum Zeitpunkt der Entlassung aus der ersten stationären Krankenhausbehandlung von den Krankenhausärzten wirtschaftlich gehandelt wurde.
2. Eine Beurlaubung ist nicht erforderlich, wenn noch kein Therapieplan mit Indikation zur (weiteren) stationären Weiterbehandlung vorliegt.
3. Zu den Anforderungen an eine Aufrechnung nach § 9 PrüfvV 2015 (juris: PrüfvVbg).
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 5. Dezember 2016 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf € 4.971,26 festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer Krankenhausbehandlung.
Die Klägerin ist Trägerin eines Krankenhauses, das durch Aufnahme in den Krankenhausplan des Landes Baden-Württemberg nach § 108 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zur Versorgung gesetzlich Krankenversicherter zugelassen ist.
Der bei der Beklagten versicherte, 1948 geborene H. B. (im Folgenden Versicherter) befand sich zunächst vom 2. bis 12. Juni 2015 im Krankenhaus der Klägerin in stationärer Behandlung. Die Ärzte stellten ein Magenkarzinom (ICD-10-GM 2015 C16.9 [Bösartige Neubildung des Magens, nicht näher bezeichnet]) fest. Bei der interdisziplinären Tumorkonferenz vom 10. Juni 2015 empfahlen die Ärzte zunächst eine Laparoskopie (Bauchspiegelung). Im Fall einer Peritonealkarzinose erübrigten sich weitere diagnostische Schritte. Sollte eine solche ausgeschlossen werden können, werde empfohlen einer der Nierentumore des Versicherten durch eine CT-gesteuerte Biopsie auf den Grund zu gehen. Ergebe sich kein Anhalt für eine Metastase des Magenkarzinoms, werde die primäre Magenresektion empfohlen. Der Versicherte plane noch die Einholung einer Zweitmeinung.
Vom 10. bis 11. Juli 2015 befand sich der Versicherte sodann erneut in vollstationärer Behandlung im Krankenhaus der Klägerin. Es erfolgte eine Bauchspiegelung. Laut Operationsbericht zeigte sich makroskopisch kein Anhalt für eine Peritonealkarzinose. Am 14. Juli 2015 ging bei der Klägerin der pathologische Befund der entnommenen Proben ein, wonach im entnommenen Probematerial kein Anhalt für Malignität vorliege. Bei der interdisziplinären Tumorkonferenz am 15. Juli 2015 empfahlen die Ärzte deshalb eine Magenresektion. Von einer Biopsie der Nierentumore wurde Abstand genommen. Bezüglich dieser sollte eine Resektion angestrebt werden. Zunächst sollten jedoch die Ergebnisse der Magenresektion abgewartet werden. Im Entlassungsbericht vom 15. Juli 2015 empfahlen die Ärzte von chirurgischer Seite eine primäre Operation des Magenkarzinoms.
Vom 20. Juli bis 1. August 2015 befand sich der Versicherte dann zur Magenresektion in vollstationärer Behandlung im Krankenhaus der Klägerin.
Für den Aufenthalt vom 10. bis 11. Juli 2015 forderte die Klägerin mit Rechnung vom 26.
August 2015 die Zahlung von € 4.951,26 von der Beklagten. Der Abrechnung lag die Fallpauschale (DRG = Diagnosis Related Group) G19A (Andere Eingriffe an Magen, Ösophagus und Duodenum mit komplizierender Konstellation oder bei bösartiger Neubildung) zugrunde. Wegen Unterschreitung der unteren Grenzverweildauer um drei Behandlungstage nahm die Klägerin einen entsprechenden Abzug vor. Für den Aufenthalt des Versicherten vom 20. Juli bis 1. August 2015 forderte die Klägerin die Zahlung von € 14.704,11 von der Beklagten (Rechnung ebenfalls vom 26. August 2015). Der Abrechnung lag die DRG G03C (Große Eingriffe an Magen, Ösophagus und Duodenum ohne hochkomplexem Eingriff, ohne komplizierende Konstellation) zugrunde.
Die Beklagte beglich die Rechnungen unter Vorbehalt. Am 28. August 2015 beauftragte sie ihren Sozialmedizinischen Dienst (SMD) mit einer “Vollprüfung„ der Abrechnungen für die Aufenthalte vom 10. bis 11. Juli 2015 und vom 20. Juli bis 1. August 2015. Mit Schreiben vom selben Tag informierte die Beklagte die Klägerin “gemäß § 4 PrüfvV [Prüfverfahrensvereinbarung]„ über die Einleitung einer Prüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V wegen Zweifel an der Wirtschaftlichkeit. Die beiden Krankenhausaufenthalte seien auffällig. Aufgrund der übermittelten Diagnosen und Operationsschlüssel handele es sich bei dem zweiten Aufenthalt um eine Komplikation des ersten Aufenthalts, weshalb eine Wiederaufnahme im Sinne des § 2 Abs. 3 Fallpauschalenvereinbarung (FPV) vorliege. Mit Schreiben vom selben T...