Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. Entlassung statt Beurlaubung des Patienten. fiktives wirtschaftliches Alternativverhalten. Nichtigkeit der landesvertraglichen Regelungen zur Beurlaubung
Orientierungssatz
1. Hat anstatt der durchgeführten zwischenzeitlichen Entlassung des Patienten auch die Option einer Beurlaubung als gleich zweckmäßige und notwendige, aber wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit bestanden, kann das Krankenhaus nur diejenige Vergütung beanspruchen, die bei einem fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhalten angefallen wäre.
2. Die in § 10 des nordrhein-westfälischen "Vertrags nach § 112 Abs 2 Nr 1 SGB 5 - Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung" vereinbarten Regelungen zu den Voraussetzungen einer Beurlaubung sind als nichtig anzusehen, da sie mit den Grundsätzen nach § 1 Abs 7 FPV 2014 (juris: FPVBG 2014) kollidieren.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 14. Mai 2018 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.918,05 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozent über den Basiszinssatz seit dem 3. April 2015 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen im Berufungsrechtszug die Beklagte zu 49 Prozent und die Klägerin zu 51 Prozent.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 3.795,54 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Vergütung für Krankenhausleistungen in Höhe von zuletzt noch 3.795,64 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2% über den Basiszinssatz seit dem 3. April 2015.
Die Beklagte ist Trägerin des F-Krankenhauses I, einem für die Behandlung gesetzlich Krankversicherter zugelassenen Krankenhaus gemäß § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Dort wurde der am 00.00.1960 geborene Herr T S (nachfolgend Versicherter) aufgrund eines zytologisch gesicherten Lungenkarzinoms (C34.1) im linken Oberlappen behandelt (Aufnahme Nr.: 000).
Vor einer ersten stationären Aufnahme wurden bei dem Versicherten zur Ausbreitungsdiagnostik am 22. September 2014 eine Magnetresonanztomografie (MRT) des Schädels und am 1. Oktober 2014 eine Positronen-Emmissons-Tomografie zuzüglich Computertomografie (PET-CT) durchgeführt. Nach der PET-CT ergab sich der Verdacht für das Vorliegen einer mediastinalen Lymphknotenmetastasierung des Tumors. Ebenfalls am 1. Oktober 2014 (Mittwoch) wurde der Behandlungsfall des Versicherten im Krankenhaus der Beklagten erstmalig im Rahmen der dortigen interdisziplinären Tumorkonferenz vorgestellt und die Indikation zum chirurgisch-operativen Lymphknotenstaging durch eine videoassistierte mediastinoskopische Lymphadenektomie (VAMLA) gestellt.
Am Montag, den 6. Oktober 2014 wurde der Versicherte im Krankenhaus stationär zum Ausschluss einer M2/M3 Situation bei zytologisch gesichertem nicht kleinzelligem Lungenkarzinom im linken Oberlappen aufgenommen. Als Aufnahmeuntersuchungen wurden u.a. eine Spiroergometrie, eine Lungenperfusionszintigrafie und eine Echokardiografie durchgeführt. Es erfolgte am selben Tag die zweite Vorstellung des Versicherten in der interdisziplinären Tumorkonferenz, ebenfalls mit dem Ergebnis der Durchführung einer VAMLA, welche am 7. Oktober 2014 (Videobronchoskopie und VAMLA) mit komplikationslosem operativem Verlauf durchgeführt wurde. Das abgenommene Bronchial- bzw. Trachialsekret wurde bakteriologisch untersucht. Zudem kam es zur Beauftragung einer histologischen Untersuchung durch Prof. Dr. O, Institut für Pathologie an der B-Krankenanstalt-Bochum. Der im Krankenhaus der Beklagten ausweislich des Eingangsstempels am 10. Oktober 2014 eingegangene schriftliche Bericht über den histologischen Befund trägt den Hinweis: "Der Befund wurde vorab elektronisch übermittelt." Auf den weiteren Inhalt wird Bezug genommen.
Am 10. Oktober 2014 entließ das Krankenhaus den Versicherten, dem zuvor - nach der Aussage des Chefarztes der Klinik für Thoraxchirurgie, Dr. J (Stellungnahme vom 30. März 2015) - bereits die Möglichkeit einer thoraxchirurgischen operativen Versorgung im Rahmen einer Oberlappenmanschettenresektion links in Aussicht gestellt worden war. Ausweislich des sich in der beigezogenen Patientenakte befindlichen Entlassungsbriefs vom 10. Oktober 2014 (Ausdruck 10. Oktober 2014, 7:49 Uhr) wurde bei dem Versicherten ein nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom linker Oberlappen (Stadium IB, cT2a cN0) diagnostiziert. Bezüglich der durchgeführten Histologie referierte der Entlassungsbrief bereits die Beurteilung des Prof. Dr. O.
Für den 15. Oktober 2014 wurden mit dem Versicherten ein ambulanter Termin zur Verlaufskontrolle und Besprechung des weiteren Procedere vereinbart und durchgeführt. In diesem Rahmen wurde der histologische Befund und der Ausschluss einer N2/N3 Situation erläutert, die weiteren OP-Schritte mit dem Versicherten erörtert und seine Einwilligung für die geplante Operation eingeholt, wobei als erneu...