Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Wiederaufnahmeklage. elektronischer Rechtsverkehr. sicherer Übermittlungsweg. De-Mail-Konto. Klageerhebung per E-Mail ohne qualifizierte elektronische Signatur. Übereinstimmung der verantwortenden Person mit dem Versender. isolierte Restitutionsklage gegen erstinstanzliche Ausgangsentscheidung. Rechtsschutzbedürfnis
Leitsatz (amtlich)
1. Wird die (Wiederaufnahme-)Klage als E-Mail von einem De-Mail-Konto aus versandt, die nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, liegt der dann erforderliche sichere Übermittlungsweg iS von § 65a Abs 3 S 1 Alt 2 SGG nur vor, wenn die das Dokument signierende und somit verantwortende Person mit der des tatsächlichen Versenders übereinstimmt.
2. Für eine isolierte Restitutionsklage gegen die erstinstanzliche Ausgangsentscheidung fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, denn eine Wiederaufnahme dieses Verfahrens würde an dem rechtskräftigen Sachurteil der Berufungsinstanz nichts ändern.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30.12.2022 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Wiederaufnahmeklage als unzulässig verworfen wird.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Klageverfahrens S 3 R 3354/19 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG).
In jenem Rechtsstreit ging es um die Gewährung einer höheren Regelaltersrente der im Oktober 1939 geborenen griechischen Klägerin unter Berücksichtigung eines Zuschlags von einem Entgeltpunkt ab dem 01.07.2014 sowie eines weiteren halben Entgeltpunkts ab dem 01.01.2019 für die Kindererziehung ihres1960 in Griechenland geborenen Sohnes D1.
Mit Bescheid vom 08.03.2019 hatte die Beklagte im Rahmen der Neuberechnung der der Klägerin bewilligten Regelaltersrente (Rentenbescheid vom 25.10.2004, Rentenbeginn am 01.11.2004; Neuberechnung mit Bescheid vom 08.08.2014 ab dem 01.07.2014 mit einem Zuschlag für Kindererziehung für den Sohn P1, geb. 1971) ab dem 01.01.2019 einen höheren Zuschlag für die Kindererziehung ihres Sohnes P1 berücksichtigt. Die Klägerin hatte daraufhin gefordert, auch einen Zuschlag für die Kindererziehung von D1 zu erhalten, was die Beklagte mit Bescheid vom 01.10.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.10.2019 abgelehnt hatte. Die dagegen erhobene Klage wies das SG mit Urteil vom 29.06.2021 (S 3 R 3354/19) ab. Zur Begründung führte das SG im Wesentlichen aus, dass bei der Rente der Klägerin weder eine Kindererziehungszeit für den zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt von D1 angerechnet worden sei noch eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt (Hinweis auf § 307d Abs. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - SGB VI -). Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Anerkennung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten für D1, da die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. § 56 Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB VI nicht vorlägen, ebenso wenig wie der Ausnahmetatbestand des § 56 Abs. 4 SGB VI. Die erforderliche Inlandsanknüpfung bestehe nicht, da die Klägerin während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt von D1 in Griechenland keine Pflichtbeitragszeiten für eine im Bundesgebiet ausgeübte Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit habe; erst am 02.09.1968 habe sie eine versicherungspflichtige Beschäftigung (im Bundesgebiet) aufgenommen. Aus europarechtlichen Bestimmungen ergebe sich nichts Abweichendes. Die dagegen eingelegte Berufung der Klägerin wies der 13. Senat des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg mit Urteil vom 09.11.2021 (L 13 R 2266/21) aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück (§ 153 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -); ergänzend führte er aus, dass die Klägerin entgegen der Darstellung im Berufungsverfahren in der Zeit von 1961 bis 1967 in Griechenland versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei und diese Zeit dem entsprechend bei der Bewilligung der Regelaltersrente im Rahmen der dortigen Vergleichsberechnung berücksichtigt worden sei.
Die gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 13. Senats vom 09.11.2021 gerichtete Beschwerde verwarf das Bundessozialgericht (BSG) unter Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren (§ 73a Abs. 1 SGG i.V.m. §118 Abs. 2 Satz 4 und § 121 Abs. 1 der Zivilprozessordnung - ZPO -) mit Beschluss vom 11.03.2022 (B 5 R 302/21 B) als unzulässig (§ 73 Abs. 4 Satz 1 SGG).
Am 25.03.2022 übersandte der Sohn der Klägerin, D1, dem BSG an das dortige elektronische egvp.de-mail.de-Postfach per absenderbestätigter De-Mail (Absender: D1 G1, D1. G1 @t-online.de-mail.de) zum Aktenzeichen „B 5 R 302/21 B (S 3 R 3354/19)“ einen „Änderungsantrag zum Beschluss vom 11.03.2022: Überweisung des Rechtsstreits an das Sozialgericht Karlsruhe und Wiederaufnahme des Verfahrens S 3 R 335...