Entscheidungsstichwort (Thema)
Wintergeld. Antragstellung. Versäumung der Ausschlussfrist. Feststellung des Zugangs der Willenserklärung. Unzulässigkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Nichtanwendung der Härteregelung des § 324 Abs 1 S 2 SGB 3
Orientierungssatz
1. Die Vorschrift des § 130 BGB, die das Übermittlungsrisiko dem Absender einer Willenserklärung auferlegt, verkörpert einen allgemeinen Grundsatz, der auch für die empfangsbedürftige öffentlich-rechtliche Willenserklärung wie den Antrag auf Wintergeld gilt.
2. Die bloße Möglichkeit, dass der Antrag bei der Beklagten angekommen, dort aber fehlgeleitet oder verloren gegangen sein könnte, reicht für de Feststellung des Zugangs nicht (vgl BSG vom 21.2.1991 - 7 RAr 74/89 = SozR 3-4100 § 81 Nr 1).
3. Die Ausschlussfrist des § 325 Abs 4 SGB 3 unterfällt dem Vorbehalt des § 27 Abs 5 SGB 10, wonach die Wiedereinsetzung unzulässig ist, wenn sich aus einer Rechtsvorschrift ergibt, dass sie ausgeschlossen ist. Eine ausdrückliche Regelung des Ausschlusses der Wiedereinsetzung ist nach dem Wortlaut des § 27 Abs 5 SGB 10 nicht erforderlich. Ein gesetzgeberischer Wille, mit der Regelung des § 325 Abs 4 SGB 3 von der bis auf das AVAVG zureichenden Tradition des Ausschlusses der Wiedereinsetzung abzuweichen, ist nicht erkennbar.
4. Nach ihrer Stellung im Gesetz ist die Anwendung der Härtefallregelung des § 324 Abs 1 S 2 SGB 3 den in § 324 Abs 1 S 1 SGB 3 geregelten Fällen vorbehalten, in denen die Leitungserbringung davon abhängig gemacht wird, dass der Antrag vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses gestellt wird. Abweichend davon ist für das Wintergeld in § 324 Abs 2 S 2 SGB 3 aber gerade geregelt, dass diese Leistung nachträglich zu beantragen ist.
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten besteht Streit über die Auszahlung von Mehraufwand -Wintergeld (MWG) für den Monat Februar 2001, insbesondere darüber, ob der Leistungsantrag rechtzeitig gestellt wurde bzw. ob der Klägerin gegen die Versäumung der maßgeblichen Antragsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.
Bei der Klägerin handelt es sich um einen Betrieb des Baugewerbes, der Arbeitnehmer auf witterungsabhängigen Arbeitsplätzen beschäftigt und dem BRTV-Bau unterfällt. Damit sind die Voraussetzungen für eine Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft grundsätzlich erfüllt, weshalb die Beklagte dem bei ihr am 19.02.2001 eingegangenen Antrag der Klägerin vom 09.02.2001 auf Auszahlung von MWG für den Monat Januar 2001 stattgab (Bescheid vom 01.03.2001). Ein entsprechender Auszahlungsantrag für den Folgemonat Februar 2001 ist in den bei der Beklagten geführten Betriebsakten der Klägerin nicht enthalten.
Am 18.06.2001 ging bei der Beklagten per Fax die Kopie eines Antrages auf MWG für den Monat Februar 2001 vom 08.03.2001 ein, zu dem unter Bezugnahme auf ein zuvor erfolgtes Telefonat versichert wurde, der Antrag sei fristgerecht abgesandt worden; wenn dieser nunmehr bei der Beklagten nicht mehr auffindbar sei, könne das nicht zu ihren -- der Klägerin -- Lasten gehen, zumal die am 31.05.2001 abgelaufene Frist nur geringfügig überschritten worden sei. Außerdem wurde Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Antragsfrist gestellt und eine eidesstattliche Versicherung der Angestellten H der Klägerin vom 25.06.2001 vorgelegt, wonach diese den Antrag mit Schreiben vom 13.03.2001 noch am selben Tage mit der Post der Beklagten zugeleitet und erst anlässlich des Telefonats vom 18.06.2001 erfahren habe, dass der Antrag dort nicht eingegangen sei.
Mit Bescheid vom 25.06.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2001 lehnte die Beklagte den (sich auf 8.510,-- DM belaufenden) Auszahlungsantrag ab, weil er nach der für den Abrechnungsmonat Februar 2001 am 31.05.2001 abgelaufenen Ausschlussfrist eingegangen sei. Unter Beachtung des sich aus § 130 BGB ergebenden allgemeinen Rechtsgrundsatzes trage die Klägerin das Übermittlungsrisiko. Gegen die Versäumung der Ausschlussfrist sei eine Wiedereinsetzung unzulässig (wird ausgeführt).
Dagegen hat die Klägerin am 13.08.2001 Klage zum Sozialgericht Heilbronn erhoben mit der Begründung, grundsätzlich könne sie sich darauf verlassen, dass fristgerecht eingereichte Anträge auf dem üblichen Postweg zugingen. Für ihre Auffassung, dass eine Wiedereinsetzung hier nicht zulässig sei, berufe sich die Beklagte zu Unrecht auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 21.02.1991 (7 RAr 74/89), denn zwischenzeitlich sei die Winterbauförderung mit dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) umfassend neu geregelt worden, ohne dass in § 325 Abs. 4 SGB III, wie nach § 27 Abs. 5 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erforderlich, die Wiedereinsetzungsmöglichkeit hinsichtlich der Antragsfrist ausdrücklich ausgeschlossen worden wäre (Berufung auf Gagel, SGB III, § 325 Rz 18).
Mit Gerichtsbescheid vom 12.12.2001, auf dessen Begründung...