Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Kostenerstattung einer Magnetresonanztomographie in aufrechter Körperposition. Fahr- und Übernachtungskosten

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Magnetresonanztomographie in aufrechter Körperposition (Upright-MRT) ist keine neue Untersuchungsmethode. Wird diese diagnostische Leistung nur in Privatpraxen angeboten, muss die Krankenkasse die Kosten erstatten, wenn der Versicherte wegen einer ausgeprägten Paraspastik die Beine nicht mehr strecken kann. Eine Untersuchung in Vollnarkose unter zusätzlicher Gabe von Schmerzmitteln und relaxierenden Substanzen ist einem Versicherten nicht zumutbar, wenn noch nicht einmal sicher ist, dass auf diese Weise eine Untersuchung im Liegen tatsächlich den gewünschten Erfolg erzielt.

 

Orientierungssatz

Zur Kostenerstattung der angefallenen Fahr- und Übernachtungskosten.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 05.12.2018 abgeändert und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 21.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2017 verurteilt, dem Kläger die Kosten für 4 Upright-MRT-Untersuchungen iHv insgesamt 2.817,78 € zu erstatten. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte erstattet 3/4 der außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Kostenerstattung für vier durchgeführten Upright-Magnetresonanztomographien (MRT) nebst Fahrkosten und Übernachtungskosten.

Bei einer Upright-MRT können durch die vertikale Anordnung der Magnete Untersuchungen in aufrechter Körperposition, im Stehen oder Sitzen unter natürlicher Gewichtsbelastung durchgeführt werden.

Der 1954 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Er leidet an Encephalomyelitis disseminata mit ausgeprägter Paraspastik und ist auf einen Rollstuhl angewiesen. Er hat einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen “aG„; Pflegegrad 3 ist anerkannt. Am 21.06.2016 beantragte er unter Vorlage eines Kostenvoranschlags der Privatpraxis Dr. F. in M. die Übernahme von Kosten für Upright-MRT der LWS, BWS, HWS und des Schädels zuzüglich Fahrkosten und Kosten für Hotelübernachtung. Zur Begründung machte der Kläger geltend, sein Gesundheitszustand habe sich seit Februar 2016 innerhalb von vier Wochen drastisch verschlechtert (vom Fußgänger zum Pflegefall). Ohne aussagekräftige Bilder sei eine weitere Diagnostik der MS-Entwicklung nicht möglich. Unter großen Schmerzen seien in F. drei MRT gescheitert, da aufgrund der Beugespastik die Beine nicht mehr gestreckt werden könnten. Ein offenes MRT sei nicht möglich, da auch dort der Durchgang nur max 70 cm groß sei. Ergänzend legte er eine formularmäßige Begründung für die Notwendigkeit einer Upright-MRT des Neurologen und Psychiaters Dr. K. sowie einen Arztbrief der Universitätsklinik F. vom 13.05.2016 vor.

Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 08.07.2016 mit, dass der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) zur Beurteilung eingeschaltet werde. Dr. S. führte für den MDK mit Gutachten vom 14.07.2016 aus, der HTA-Bericht (2006) komme zu dem Ergebnis, dass MRT Untersuchungen in stehender Position noch experimentell und der klinischen Forschung zuzurechnen seien, da keine Evidenz zur Genauigkeit und zum Nutzen vorlägen. Weitere Studien hätten sich nicht finden lassen. Es existierten vertragsärztliche Alternativen mit Funktionsaufnahmen der LWS (in der charakteristischen Schmerzsituation), CT, ggf mit Myelographie. Eine außervertragliche Kostenübernahme für die Methode könne nicht empfohlen werden. Mit Bescheid vom 21.07.2016 lehnte die Beklagte daraufhin die Kostenübernahme ab.

Auf den Widerspruch des Klägers schaltete die Beklagte erneut den MDK ein. Dieser blieb mit Gutachten vom 13.09.2016 bei seiner früheren Beurteilung. Der Kläger legte ein Attest von Dr. K. vom 13.10.2016 vor, wonach bisherige Versuche, die Untersuchung in liegender Position durchzuführen, mehrfach gescheitert seien, da der Kläger seine Beine nicht ausstrecken könne. Eine Untersuchung in Narkose sei einerseits nicht zumutbar und biete andererseits auch keine Gewähr dafür, dass eine Untersuchung im Liegen möglich sei. Eine Upright-MRT sei daher das Mittel der Wahl. Es handele sich nicht um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, sondern eine Variante der seit Jahren etablierten MRT-Technologie. Dr. K. verordnete am gleichen Tag eine Upright-MRT des Schädels, der HWS, BWS und LWS. Diese Untersuchungen wurden Ende Oktober 2016 durchgeführt. Dr. F. berechnete hierfür insgesamt 2.617,78 €. Der Kläger machte darüber hinaus Übernachtungskosten für fünf Übernachtungen mit Begleitperson iHv 695 € sowie Fahrkosten geltend. Der MDK blieb nach erneuter Befassung mit Gutachten vom 30.11.2016 bei seiner Auffassung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.06.2017 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Die Erstattung der Vertragssätze (196,59 €) sei angeboten worden. Dr. F. sei nicht zur vertragsärztlichen ...

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