Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. haftungsbegründende Kausalität. degenerative Vorerkrankung. Riss der Rotatorenmanschette. anlagebedingte Schulterbeschwerden. geeigneter Verletzungsmechanismus. Facharbeiter
Leitsatz (amtlich)
Ein Riss bzw. Teileinriss der Supraspinatussehne, d.h. der Riss der Rotatorenmanschette, kann durchaus traumatisch bedingt sein. Allerdings darf, um einen geeigneten Verletzungsmechanismus annehmen zu können, der Unfallhergang eine Zugbeanspruchung mit unnatürlicher Längendehnung der Supraspinatussehne nicht ausschließen. Eine solche Zugbeanspruchung ist aber gerade ausgeschlossen, wenn der Unfall eine direkte Krafteinwirkung auf die Schulter in Form eines Sturzes, einer Prellung oder eines Schlages bewirkt hat, da die Rotatorenmanschette durch den knöchernen Schutz der Schulterhöhe (Acromion) und den Deltamuskel gut geschützt ist.
Normenkette
SGB VII § 8 Abs. 1 Sätze 1-2, § 102; SGB V § 11 Abs. 5
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. März 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung einer vollständigen Ruptur der Supraspinatussehne (Rotatorenmanschettenabriss) an der rechten Schulter sowie ein Einriss der Sehne des Musculus Subscapularis als weitere Unfallfolgen des anerkannten Arbeitsunfalls vom 04.08.2008 streitig.
Der am … 1961 geborene Kläger griechischer Staatsangehörigkeit ist als Arbeiter bei der Beklagten versicherungspflichtig. Er hatte bereits zahlreiche Behandlungen wegen Schulterbeschwerden und sich bereits vor dem Unfall eine Kontusion der rechten Schulter zugezogen (MRT-Bericht vom 21.11.2008). Am 04.08.2008 rutschte er gegen 15:00 Uhr beim Schieben eines über 100 kg schweren Metallbehälters aus und erlitt beim Nachgreifen ein Stauchungstrauma am rechten Schultergelenk. Er arbeitete weiter und ging bei persistierenden Schmerzen am 10.11.2008 zu seinem Hausarzt Allgemeinmediziner K.. Dieser diagnostizierte eine Läsion der Rotatorenmanschette, stellte ab dem Behandlungstag Arbeitsunfähigkeit (AU) zunächst bis 26.11.2008 fest und überwies den Kläger an den Orthopäden Dr. L., der bei Verdacht auf eine Rotatorenmanschettenruptur rechts ein MRT in der Radiologischen Gemeinschaftspraxis Hü./Ha./R. veranlasste. Im MRT vom 20.11.2008 zeigten sich ansatznah eine nahezu vollständige Ruptur der Supraspinatussehne mit geringer Retraktion der Sehne sowie ein Einriss der Sehne des Musculus subscapularis ansatznah mit Flüssigkeitseinlagerung in die Sehne, ferner degenerative Veränderungen des AC-Gelenks und geringe Einengung des subacrominalen Bogens. Dr. R. beurteilte dies dahingehend, dass sowohl Ruptur wie Einriss posttraumatisch bedingt seien (Bl. 75 VA). Am 28.11.2008 begab sich der Kläger zu Durchgangsarzt Prof. Dr. P., Chefarzt der Unfallchirurgischen Klinik S., und gab an, nach dem Unfall weiter gearbeitet zu haben. Prof. Dr. P. beschrieb eine schmerzhaft endgradige Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk bei Abduktion bis 80° und den klinischen Verdacht auf eine Supraspinatussehnenruptur. Vom 04. bis 09.12.2008 wurde der Kläger stationär in der Klinik arthroskopisch behandelt und eine offene Supraspinatusreinsertion und Labrum-Refixation durchgeführt (Zwischenbericht vom 16.12.2008, Bl. 71 VA).
Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Arbeitgeberin des Klägers zunächst mit, dieser habe am zunächst berichteten Unfalltag vom 01.08.2008 Urlaub gehabt (Bl. 14 VA). Der Unfall habe sich am 04.08.2008 gegen 16:15 Uhr in der Abteilung für Saftproduktion ereignet (Unfallanzeige vom 23.01.2009, Bl. 18 VA). Der Kläger sei beim Einschieben eines Materialbunkers in die Produktionslinie mit der rechten Hand abgerutscht, habe sich diese dabei verdreht und sei mit der rechten Schulter auf den Container gestürzt.
Beratungsarzt Dr. S. führte aus, die komplette Ruptur mit Retraktion des Sehnenstumpfes ohne darüber hinausgehende Muskelretraktion lasse sich zusammen mit der deutlichen Ergussbildung grundsätzlich mit einer traumatischen Schädigung vereinbaren, allerdings müsse ein degenerativer Vorschaden abgeklärt werden (Bl. 100 VA).
Am 06.05.2009 wurde wegen persistierenden Schmerzen eine weitere MRT-Untersuchung durchgeführt, die eine Reruptur der Supraspinatussehne, die lediglich noch in den anterioren Anteilen fixiert erscheine, bei geringem Erguss in der Bursa subdeltoidea ergab (Befundbericht vom 07.05.2009, Bl. 87 VA). Die Folgebehandlung wurde in der Berufsgenossenschaftlichen (BG) Unfallklinik T. durchgeführt, wo eine eingeschränkte aktive Schultergelenksbeweglichkeit rechts festgestellt wurde und erweiterte ambulante Physiotherapie und Schmerztherapie rezeptiert wurden (Zwischenberichte vom 25.05.2009, Bl. 97 VA; 18.06.2006, Bl. 104 VA; 22.07.2009, Bl. 136 VA; 24.07.2009, Bl. 141 VA).
Prof. Dr. W., Ärztlicher Direktor der BG Unfallklinik T., erstattete auf Veranlassung der Beklagten ein unf...