Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunftskosten. Berücksichtigung einer Grundservicepauschale im betreuten Wohnen eines behinderten Menschen. Unabdingbarkeit durch rechtliche Koppelung des Miet- und Betreuungsvertrages
Leitsatz (amtlich)
Eine nicht abdingbare, mit dem Mietvertrag gekoppelte Pauschale für Grundserviceleistungen im Bereich des ambulant betreuten Wohnens gehört zu den Kosten der Unterkunft iS von § 22 Abs 1 SGB 2.
Orientierungssatz
Soweit ein Vermieter von Wohnraum durch Verträge mit Dritten oder auf andere Weise sicherstellt, dass den Mietern Betreuung und Verpflegung angeboten werden, begründet dies nach § 1 Abs 2 HeimG allein nicht die Anwendung dieses Gesetzes.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 3. März 2009 insoweit abgeändert, als die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 19. Oktober 2007 und des Änderungsbescheids vom 13. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Januar 2008 verurteilt wird, dem Kläger für die Monate September, November und Dezember 2007 weitere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 296,37 € zu erbringen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Erstattung der Kosten für einen sog. Grundservice im Bereich des betreuten Wohnens im Rahmen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Monate September, November und Dezember 2007.
Der 1987 geborene Kläger hat im Juli 2007 seine Ausbildung zum Bürokaufmann erfolgreich abgeschlossen. Bei ihm liegt eine cerebrale Tetraparese vor mit Funktionsbeeinträchtigung aller vier Extremitäten, er kann sich langsam im Rollstuhl fortbewegen. Ein Grad der Behinderung von 100 v.H. sowie die Merkzeichen G, aG und H sind anerkannt. Seit 17. September 2007 arbeitet er in Vollzeit als Bürokaufmann bei der Arbeit in Selbsthilfe (AIS) in M., seine Arbeitsstelle wurde im Haus zwei Stockwerke unter dem Wohnbereich eingerichtet. Aus dieser Tätigkeit erzielte der Kläger im November und Dezember 2007 Einkommen in Höhe von 737,91 €.
Seit 1. September 2007 wohnt der Kläger im Rahmen des ambulant betreuten Wohnens in R.. Ihm steht ein Zimmer mit einer Größe von 25,21 qm sowie der Zugang zu Gemeinschaftsräumen mit einer Gesamtgröße von 135,96 qm (für sechs Personen) zur Verfügung. Vermieter ist die Körperbehindertenförderung N.-A. (Beigeladene Ziff.2). Die Kaltmiete beläuft sich auf 325,52 € zuzüglich Nebenkosten von 50 € einschließlich einer Kabelgebühr von 6 €.
Aufgrund eines zwischen dem Kläger und der Beigeladenen Ziff. 2 geschlossenen zusätzlichen Betreuungsvertrags vom 10. Juli 2007 schuldet der Kläger ein weiteres monatliches Entgelt von 100 € für den Grundservice. Dieser beinhaltet die Organisation eines durchgehend besetzten Notrufs im Haus (58,50 €), den Betrieb eines Pflegestützpunktes (7 €), Sprechstunden für die allgemeine Lebensberatung (20 €), Nutzung der Gemeinschaftsräume (5,27 €) sowie das Angebot von Gemeinschaftsveranstaltungen (9,23 €). Nach § 5 des Betreuungsvertrags wird dieser für die Dauer der Wohnungsbelegung bzw. des Mietvertrags geschlossen. Im Vorspann heißt es, dass es dem Kläger bekannt sei, dass die Überlassung einer Wohnung in der Einrichtung die Vereinbarung des Grundservice voraussetze.
Ab 1. September 2007 trug zunächst der Landkreis B. die Kosten der Sozialhilfe für die begleitende Betreuung des ambulanten Wohnens (Hilfestellung, Anleitung, hauswirtschaftliche Versorgung, Freizeitaktivitäten) in Höhe der Hilfebedarfsgruppe 3, d.h. 1.214 € monatlich (Bescheid vom 22. Januar 2008). Vorangegangen waren Überprüfungen des Hilfebedarfs durch den medizinisch-pädagogischen Dienst vom 26. Juli und 10. Dezember 2007. Seit 28. Februar 2008 werden diese Leistungen vom Beigeladenen Ziff. 1, dem seit Beginn örtlich zuständigen Landkreis E. erbracht.
Den Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19. Oktober 2007 für die Monate Juli, August und Oktober 2007 ab, da das Einkommen in diesen Monaten den Bedarf übersteige.
Mit weiterem Bescheid vom 19. Oktober 2007 bewilligte die Beklagte Leistungen für September 2007 in Höhe von 539,65 € und berücksichtigte hierbei neben der Regelleistung (347 €) Kosten der Unterkunft in Höhe von 347,77 € (375,52 € abzüglich Kabelfernsehen 6 €, Strompauschale 15,22 € und Warmwasserpauschale 6,53 €). Als Einkommen wurde Arbeitslosengeld in Höhe von 185,12 € abzüglich der Versicherungspauschale von 30 € berücksichtigt.
Ebenfalls mit Bescheid vom 19. Oktober 2007 bewilligte die Beklagte für November und Dezember 2007 Leistungen in Höhe von 208,12 €. Bei gleichem Bedarf wurde Nettoerwerbseinkommen in Höhe von 737,91 € abzüglich eines Freibetrags von 221,26 € und der Versicherungspauschale von 30 € angerec...