Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschädigtenversorgung. Gesundheitsstörung. Verschlimmerung. Tinnitus. erhebliche Schlafstörung

 

Orientierungssatz

Zur Verschlimmerung eines schädigungsbedingten Tinnitus wegen außergewöhnlicher Schlafstörungen, die als erhebliche psycho-vegetative Begleiterscheinungen iS der Nr 26.5 AHP bewertet und mit einer Teil-MdE für diesen Komplex von 20 vH eingestuft werden.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Neufeststellung des Versorgungsanspruchs streitig.

Der 1916 geborene Kläger bezieht aufgrund des vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG) abgeschlossenen Vergleichs vom 29.01.1982 Beschädigtenrente unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 80 v.H. Als Schädigungsfolgen sind anerkannt: Verbildende Entartung im linken Kniegelenk, Neigung zu phlegmonöser Entzündung am linken Unterschenkel, verbildende Entartung und unvollständige Versteifung des linken Fußgelenks in ungünstiger Stellung nach Schußbruch des Unterschenkels und 4. und 5. Mittelfußknochens. Abmagerung der Wadenmuskulatur, ausgedehnte Narbenbildung am linken Unterschenkel und Fuß, Versteifung des Mittelgelenks im rechten Winkel des linken 5. Fingers. Narben an der linken Hand, beiderseitige Innenohrschwerhörigkeit, fehlstatikbedingte Mehrbelastung von Wirbelsäule und Beingelenken bei nicht ausreichender Korrektur einer langjährigen funktionellen Beinverlängerung , (Ausführungsbescheid vom 02.03.1982). Grundlage für die MdE-Erhöhung von 70 auf 80 v.H. war das vom SG eingeholte orthopädische Gutachten von Prof. Dr. R. von der Orthopädischen Klinik und Poliklinik der Universität H. vom 11.07.1981.

Im Juni 1993 machte der Kläger unter Vorlage von Arztbriefen die Verschlimmerung der Innenohrschwerhörigkeit sowie der Wirbelsäulen-, Hüftgelenks- und Sprunggelenksbeschwerden links sowie Ohrgeräusche (Tinnitus) geltend.

Das Versorgungsamt Stuttgart (VA) holte von den behandelnden Ärzten Dr. V., Facharzt für Orthopädie, Dr. B., Arzt für Allgemeinmedizin, und Dr. B., Hals-Nasen-Ohren-Arzt, Befundberichte ein, denen zum Teil ebenfalls verschiedene Arztbriefe beilagen.

Aufgrund der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 08.05.1995 (auf HNO-fachärztlichem Gebiet sei die MdE von 20 auf 25 v.H. zu erhöhen; insoweit seien die Schädigungsfolgen mit "beidseitige Innenohrschwerhörigkeit und beidseitige Ohrgeräusche" zu bezeichnen) sowie des versorgungsärztlichen Gutachten des Orthopäden Dr. S. vom 24.08./15.09.1995 (eine wesentliche Änderung sei auf orthopädischem Gebiet nicht eingetreten) erließ das VA den Bescheid vom 02.10.1995. Mit ihm lehnte es die Neufeststellung des Versorgungsanspruchs ab. Mit Bescheid vom 04.10.1995 bezeichnete es die Schädigungsfolgen auf HNO-fachärztlichem Gebiet wie in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 08.05.1995 vorgeschlagen.

Den gegen beide Bescheide eingelegten Widerspruch wies das Landesversorgungsamt Baden-Württemberg aufgrund der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 06.02.1996 durch Bescheid vom 17.04.1996 zurück.

Dagegen erhob der Kläger am 15.05.1996 Klage zum SG. Insbesondere wies er auf die durch den Tinnitus bedingten Einschlafstörungen und Depressionen hin.

Das SG holte von Dr. D. vom M. Stuttgart das unfallchirurgisch-orthopädische Gutachten vom 11.12.1996, von dem Facharzt für Hals-Nasen-Ohren Dr. S. das HNO-ärztliche Gutachten vom 29.07.1997 und Prof. Dr. A. von der Neurologischen Universitätsklinik der Universität U. das nervenärztliche Gutachten vom 01.12.1997 (mit Ergänzung vom 17.02.1998) ein. Dr. D. verneinte eine Verschlimmerung der Schädigungsfolgen auf seinem Fachgebiet. Auf HNO-fachärztlichem Gebiet bemaß Dr. S. die MdE auf 25 v.H. wegen einer schädigungsbedingten Innenohrhochtonschwerhörigkeit beidseits mit Tinnitus beidseits. Prof. Dr. A. kam zu dem Ergebnis, beim Kläger bestehe schädigungsbedingt eine chronifizierte Schlafstörung durch Tinnitus seit 1943, die eine MdE um 10 v.H. bedinge. Dieser MdE-Grad sollte zur bisherigen Gesamt-MdE addiert werden. Dieser Beurteilung trat der Beklagte unter Übersendung der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 02.02.1998 entgegen. Die Anerkennung chronifizierter Schlafstörungen als mittelbare Schädigungsfolge sei nicht begründet, zumal deren Ursache vielfältiger Natur sein könne. Sie bedingten gegenüber dem Tinnitus auch keine eigenständige MdE. Selbst wenn dies aber der Fall wäre, könnte diese MdE nicht zur bisherigen Gesamt-MdE hinzu addiert werden.

Durch Urteil vom 27.03.1998 stellte das SG als weitere Schädigungsfolge "chronifizierte Schlafstörung durch Tinnitus" fest und verurteilte den Beklagten, dem Kläger ab 01.06.1993 Beschädigtenversorgung nach einer MdE um 90 v.H. zu gewähren. Hierbei folgte es der Beurteilung von Prof. Dr. A..

Gegen das dem Kläger am 16.04.1998 und dem Beklagten am 15.04.1998 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 27.04.1998, der Kläger am 13. Mai 1998 Berufung eingelegt.

Der Beklagte bezieht sich auf die vorgelegte versorgungsärztlic...

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