Leitsatz (amtlich)

1. Die hinzugetretene Erkrankung verlängert auch bei Fortfall der Ersterkrankung die Leistungsdauer von 78 Wochen ab dem ersten Tag der (zunächst nur) auf der Ersterkrankung beruhenden Arbeitsunfähigkeit nicht und setzt auch nicht - wie eine nach Beendigung der vorhergehenden Arbeitsunfähigkeit eingetretene neue Krankheit mit erneuter Arbeitsunfähigkeit - einen neuen Dreijahreszeitraum (Blockfrist) in Gang.

2. Die einheitliche rechtliche Behandlung von bestehender und hinzugetretener Erkrankung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB V entfällt allein in nachfolgenden Blockfristen.

3. Ist der Versicherte nach Ablauf der Blockfrist nicht mit einem Anspruch auf Krankengeld versichert (hier als Rentenantragsteller), scheidet ein Anspruch auf Gewährung von Krankengeld aus.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 1. Februar 2023 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Krankengeld streitig.

Der 1966 geborene Kläger ist seit Januar 2005 versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten und arbeitete bis Dezember 2013 als Montageschlosser bei der H1 Druckmaschinen AG. Infolge des Arbeitsplatzverlustes (gegen Abfindung) wurde er sechs Wochen lang wegen einer Depression im Zentrum für Psychiatrie N1 (im Folgenden: PZN)  behandelt. Der Kläger hat danach Beschäftigungen bei der B5 als auch bei der B1 verrichtet. Nach seinen eigenen Angaben übte er seit März 2016 keine versicherungspflichtigen Tätigkeiten mehr aus. Zuletzt bezog er Arbeitslosengeld und Krankengeld (hierzu sogleich). Die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten bestand vom 4. Oktober 2019 bis 18. Februar 2021 wegen Krankengeldbezug, vom 19. Februar bis 30. September 2021 wegen Bezugs von Arbeitslosengeld, vom 1. Oktober 2021 bis 21. September 2023 als Rentenantragsteller, vom 22. September bis 15. Oktober 2023 wegen Bezugs von Arbeitslosengeld und ab dem 16. Oktober 2023 wegen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (Schreiben der Beklagten vom 21. Februar 2024).

Seit dem 23. August 2019 wurde der Kläger durchgehend durch B2 wegen orthopädischer Diagnosen (M25.51: Gelenkschmerz Schulterregion; M47.26: Sonstige Spondylose mit Radikulopathie Lumbalbereich; M48.02: Spinal(kanal)stenose Zervikalbereich und M50.1: Zervikaler Bandscheibenschaden mit Radikulopathie) arbeitsunfähig geschrieben. Er bezog deswegen von der Beklagten für 546 Tage (78 Wochen) Krankengeld bis einschließlich 18. Februar 2021.

Vom 11. Dezember 2020 bis 8. Januar 2021 nahm der Klägern an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der F1  in B3 teil. Im Entlassungsbericht vom 8. Januar 2021 gab K1 u.a. folgende Diagnosen an: „1. Lumboischialgie rechts mehr als links bei Osteochondrose, Bandscheibenvorfall L4/5, L5/S1, Foramenstenose, Spinalkanalstenose L4/5 (M 48.06), 2. schmerzhafte Funktionseinschränkung rechte Schulter bei ACG-Arthrose, Impingement-Syndrom und Insertionstendopathie (M 75.4), 3. Angst und depressive Störung, gemischt (F41.2)“. Das psychologische Konzil habe als Diagnose Angst und depressive Störung gemischt ergeben, weshalb ihm dringend eine ambulante Psychotherapie vorgeschlagen worden sei.

Am 10. Februar 2021 erlitt der Kläger in einer Tierarztpraxis einen Zusammenbruch, nachdem er erfahren hatte, dass seine Katze tödlich erkrankt sei. Nachdem die Erste-Hilfemaßnahmen des Tierarztes keinen Erfolg zeigten, wurde der Rettungswagen gerufen. Laut Einsatzprotokoll vom 10. Februar 2021 (Bl. 96 f. der Senatsakte) wurde der Kläger liegend in der Tierarztpraxis aufgefunden, wobei er wach war, weinte und zunächst nicht kommunizierte. Auf Ansprache habe er reagiert und über Schwindel, Kribbelparästhesien in den Händen und eine akute psychische Belastung geklagt. Der psychische Befund wurde als depressiv und erregt beschrieben. Als Vorerkrankungen wurden angegeben: Arterielle Hypertonie, Depression, Zustand nach Parasuizidalität, Zustand nach Bandscheibenvorfall, Arthrose und Schulteroperation in zwei Wochen. Der Kläger habe angegeben, seit mehreren Tagen Kopfschmerzen zu haben. Es bestehe eine psychische Belastung, da seine Katze wahrscheinlich in den nächsten Tagen versterben werde. Aufgrund dieser Prognose und anderer Belastungen, wie die Schulteroperation in zwei Wochen, sei er überfordert. Er habe seit mehreren Tagen nicht mehr geschlafen und esse kaum noch. Der Kläger wurde daraufhin ins PZN gefahren und dort vollstationär (bis 11. Februar 2021) aufgenommen.

V1 (PZN) nannte in seinem Arztbrief vom 11. Februar 2021 folgende Diagnose: Rezidivierende depressive Störung gegenwärtig mittelgradige Episode (F 33.1). Der Kläger sei nach telefonischer Voranmeldung durch den Rettungsdienst bei Verdacht auf Exazerbation einer vorbekannten depressiven Störung stationär aufgenommen worden. Er habe im Aufnahmegespräch nahezu ununterbrochen geweint. Während seiner vorhergehenden orthopädischen Rehabilitation habe m...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge