Entscheidungsstichwort (Thema)
sozialgerichtliches Verfahren. unwirksame Klageerhebung. fremdsprachiges Schreiben. Nichtanwendbarkeit. EWGKoopAbk DZA
Leitsatz (amtlich)
1. Das Kooperationsabkommen EWG/Algerien vom 26.4.1976 ist auf algerische Wanderarbeitnehmer, die aufgrund des Arbeitskräfteabkommens zwischen der DDR und Algerien vom 11.4.1974 in der früheren DDR vor dem Beitritt der neuen Bundesländer beschäftigt waren, nicht anwendbar.
2. Prozesserklärungen von Prozessbeteiligten in fremdsprachigen Schreiben, deren Wirksamkeit sich nicht schon aus zwischenstaatlichen Regelungen ergibt, sind ohne Rechtswirkung, auch wenn sie in einer gängigen europäischen Fremdsprache verfasst sind.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger einen entschädigungspflichtigen Arbeitsunfall während seiner Beschäftigung 1978 bis 1979 in R. bei der "S. R.-Verwaltungsgesellschaft" erlitten hat. Vorrangig ist zunächst aber streitig, ob der Kläger rechtswirksam Klage bzw. Berufung erhoben hat.
Der Kläger ist algerischer Staatsangehöriger und machte mit Schreiben vom 16. Juni 1998 (in französischer Sprache) bei der Beklagten geltend, während seiner Tätigkeit in den Jahren 1978 und 1979 in der früheren DDR einen Arbeitsunfall erlitten zu haben. Seine rechte Hand schmerze und er sei nicht arbeitsfähig. Er verwies auf ein seinem Schreiben beigefügtes ärztliches Attest von Dr. Z., A. vom 15.06.1998. Mit Bescheid vom 25.08.1998 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab. Ein Anspruch aus den behaupteten Unfällen 1978 und 1979 bestehe nicht, da auf der Grundlage des damaligen Arbeitskräfteabkommens der ehemaligen DDR mit Algerien bei den im Rahmen dieses Abkommens Beschäftigten Leistungen aus der Sozialversicherung nach der Rückkehr ins Heimatland ausgeschlossen gewesen seien. Ansprüche auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung der Bundesrepublik Deutschland bestünden deshalb nicht.
Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein, denn er sei links vom Handgelenk bis zur Schulter bewegungslos, habe keine Arbeit und müsse für den Unterhalt Dritter sorgen. Mit Widerspruchsbescheid vom 02.12.1998, den der Kläger ausweislich des Rückscheins am 17.12.1998 erhalten hat, wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Mit Schreiben vom 23. Januar 1999, das in französischer Sprache verfaßt war, erhob der Kläger am 03.02.1999 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG), das den Kläger mit richterlicher Verfügung vom 03.02.1999 aufforderte, umgehend eine Übersetzung des Schreibens vom 23.01.1999 in deutscher Sprache vorzulegen, da erst diese die Klagefrist wahre.
Mit Gerichtsbescheid vom 08.11.1999 - an den Kläger mit gegen Rückschein eingeschriebenem Brief am 10.11.1999 abgesandt - wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen, auf die im übrigen Bezug genommen wird, führte das SG aus, die Klage sei nicht zulässig, denn sie sei nicht in der Gerichtssprache Deutsch erhoben worden. Vertragliche Vereinbarungen mit dem Staat Algerien, in denen hiervon abweichende Regelungen getroffen worden seien, bestünden nicht. Der Kläger sei auf die unzulässige Klageerhebung hingewiesen worden und hätte danach Gelegenheit gehabt, noch innerhalb der dreimonatigen Klagefrist seine Klageschrift übersetzen zu lassen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheide daher aus.
Am 08.12.1999 hat der Kläger beim Landessozialgericht (LSG) Berufung gegen die Entscheidung des SG mit dem in französischer Sprache verfaßten Schreiben vom 27.11.1999 eingelegt. Er hat auf ein ärztliches Attest von Dr. M., T., verwiesen und im übrigen sein bisheriges Vorbringen in französischer Sprache wiederholt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 08.11.1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25.08.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.12.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Entschädigungsleistungen wegen eines 1978/1979 erlittenen Unfalls zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Der Kläger hat hierzu eine ihm zweisprachig vorbereitete Erklärung unterschrieben zurückgesandt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die entsprechende Prozeßerklärung des Klägers ist wirksam, denn sie wurde formgültig in deutscher Sprache abgegeben.
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Insbesondere ist die Berufungsfrist nach § 151 Abs. 1 SGG nicht versäumt. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht wirksam ins Ausland zugestellt, da keine Regelung für eine förmliche Zustellung durch Einschrei...