Entscheidungsstichwort (Thema)
Rücknahme der Arbeitslosenhilfebewilligung für die Vergangenheit. Bedürftigkeitsprüfung. Vermögensverwertung. verdecktes Treuhandvermögen. Untersuchungsgrundsatz. Beweislast. keine Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung ab 1.1.2005
Orientierungssatz
1. Zur Rechtmäßigkeit der Rücknahme der Arbeitslosenhilfebewilligung für die Vergangenheit aufgrund der Nichtangabe von Vermögen wegen treuhänderischer Verwaltung für die Kinder und zur Beweislastverteilung bei Unerweislichkeit des verdeckten Treuhandverhältnisses.
2. Infolge der Streichung des Wortes "Arbeitslosenhilfe" in § 335 Abs 1 S 1 SGB 3 in der ab 1.1.2005 geltenden Fassung besteht keine Rechtsgrundlage für die Rückforderung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen bei der rückwirkenden Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe mehr.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 31.1.2008 abgeändert. Der Bescheid der Beklagten vom 27.7.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.9.2007 wird nur insoweit aufgehoben, als er die Erstattung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge betrifft. Im übrigen wird die Klage abgewiesen und wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger ein Fünftel seiner außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Für die Beklagte wird die Revision zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung und die Rückforderung von Arbeitslosenhilfe und die Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung.
Der ... 1944 geborene Kläger war seit 1977 als Maurer beschäftigt. Ab 1993 bezog er, nachdem er von der Krankenkasse ausgesteuert war, von der Beklagten Arbeitslosengeld und gleichzeitig von der Landesversicherungsanstalt (LVA) eine Rente wegen Berufsunfähigkeit. Arbeitslosengeld wurde mit Unterbrechungen gewährt bis November 1995, ab 7.11.1995 bezog der Kläger Arbeitslosenhilfe. Arbeitslosenhilfe wurde mit Unterbrechungen wegen Auslandsaufenthalten gewährt bis 31.12.2004, zuletzt in Höhe von wöchentlich 52,01 €. Dabei hat der Kläger in allen Anträgen angegeben, über kein Vermögen zu verfügen. Seit 1.11.2004 bezieht der Kläger Altersrente wegen Arbeitslosigkeit in Höhe von anfänglich monatlich 636,02 €.
Am 16.4.2007 wurde der Beklagten bekannt, dass der Kläger über ein Konto bei der Türkischen Nationalbank verfügte, auf das er am 29.6.1994 10.000 DM und am 15.12.1996 45.000 DM eingezahlt hatte.
Im Anhörungsverfahren brachte der Kläger vor, er habe die Fragen im Antrag damals nicht richtig verstanden und keine Übersetzungshilfe gehabt. Die während des Bezugs von Arbeitslosenhilfe nicht angegebenen Geldbeträge seien kein eigenes Geld gewesen, sondern Gelder seiner Kinder, die er treuhänderisch für sie verwaltet habe. Es habe sich um Geld gehandelt, das die Kinder bei Volljährigkeit, bei Verheiratung oder bei größeren Anschaffungen erhalten sollten und das die Kinder inzwischen auch vollständig erhalten hätten.
Mit Bescheid vom 27.7.2007 hob die Beklagte die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe für die Zeiträume vom 10.10.1997 bis 29.5.1998, vom 12.10.1998 bis 21.5.1999, vom 16.9.1999 bis 23.6.2001, vom 21.9.2001 bis 6.11.2003 und vom 7.11.2003 bis 31.12.2004 auf und forderte die in dieser Zeit überzahlte Leistung in Höhe von 22.936,22 € zurück. Gleichzeitig wurde die Erstattung der in dieser Zeit gezahlten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 4771,15 € begehrt. Der Kläger sei nicht hilfebedürftig gewesen, weil er 1994 über Vermögen von 10.000 DM und 1996 über Vermögen von 45.000 DM verfügt habe, das er im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung nicht angegebenen habe.
Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger wie im Anhörungsverfahren geltend, er habe das Vermögen lediglich treuhänderisch für seine Kinder verwaltet, eine solche Verwaltung liege in der Familienstruktur der türkischen Gesellschaft begründet, jedenfalls liege deswegen keine grobe Fahrlässigkeit vor.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12.9.2007 zurück. Es lägen keine Nachweise vor, die eine treuhänderische Verwaltung des Geldes nach deutschem Recht belegen würden, die rechtliche Beurteilung richte sich nicht nach der Rechtsordnung, in der der Kläger aufgewachsen sei, sondern nach deutschem Recht.
Dagegen hat der Kläger am 8.10.2007 beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben. Er hat im wesentlichen auf die bisherigen Begründungen verwiesen und zu den Auszahlungen des Geldes an seine Kinder folgende Angaben gemacht: Seiner Tochter M habe er 1986 die Hochzeit bezahlt und ihr später noch einmal 12.000 DM ausgezahlt. Seinem Sohn C habe er 1992 ebenfalls die Hochzeit bezahlt und ihm 1992 und 1999 größere Geldbeträge für eine Darlehenstilgung, den Hauskauf und die Hausrenovierung ausbezahlt. Seinem Sohn A habe er 1996 Geld für dessen Hauserwerb gegeben. Dem Sohn C habe er mit kleineren Beträgen von bis zu 1000 D...