Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch. Sonderfall der Verfügbarkeit. Student. Zeitraum bis zum Beginn der ersten Lehrveranstaltung an der Hochschule. Unterscheidung. vorlesungsfreie Zeit zwischen den Lehrveranstaltungen. Widerlegung der Vermutung der versicherungsfreien Beschäftigung
Leitsatz (amtlich)
Zum Anspruch auf Arbeitslosengeld eines Studenten. Es besteht ein materieller Unterschied zwischen einer vorlesungsfreien Zeit unmittelbar nach der Immatrikulation einerseits und einer vorlesungsfreien Zeit zwischen zwei Lehrabschnitten andererseits.
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 27. Januar 2014 wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte erstattet auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsrechtszug.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Arbeitslosengeld (Alg) für den Zeitraum vom 01. bis 30.09.2012.
Der am … 1988 geborene Kläger meldete sich am 29.05.2012 arbeitslos und beantragte Alg. Die Anwartschaftszeit war erfüllt. Nach einer Erstbewilligung vom 29.05.2012 und einer Aufhebung wegen mitgeteilter Ortsabwesenheit vom 25.06.2012 beantragte der Kläger am 28.06.2012 erneut Alg. Dieses wurde ihm mit Bescheid vom 28.06.2012 für die Zeit vom 28.06.2012 bis zum 27.05.2013 mit einem täglichen Leistungsbetrag in Höhe von € 28,19 bewilligt.
Am 08.08.2012 teilte der Kläger der Beklagten telefonisch mit, dass er an der Hochschule H. im Studienfach Energiemanagement immatrikuliert sei. Den genauen Studienbeginn werde er noch bekannt geben. Am 05.09.2012 meldete die Beklagte den Kläger aus der Arbeitsvermittlung ab. Mit Bescheid vom selben Tage hob sie die Bewilligung von Alg ab dem 01.09.2012 auf. Als Grund gab sie “Eigene Abmeldung aus dem Leistungsbezug„ an.
Der Kläger legte mit Schreiben vom 05.10.2012 Widerspruch ein. Er trug vor, zwar beginne das Semester an einer Fachhochschule schon mit dem September, der offizielle Vorlesungsbeginn sei jedoch der 01.10.2012, weswegen er - der Kläger - im September der Arbeitsvermittlung noch zur Verfügung gestanden habe. Der Kläger legte Unterlagen der Hochschule (Stunden- und Veranstaltungsplan, Terminplan für das Wintersemester 2012/2013) vor, aus denen sich ergab, dass im September keine Veranstaltungen stattgefunden hatten. Ferner verwies der Kläger auf ein Urteil des H. Landessozialgerichts (LSG).
Die Beklagte erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 03.12.2012. Sie führte aus: Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass er neben dem Studium noch eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausüben könne. Unter anderem bei Studenten werde gesetzlich vermutet, dass sie nur versicherungsfreie Beschäftigungen ausüben könnten. Die Vermutung sei - erst - widerlegt, wenn der Student nachweise, dass die Ausbildung auch eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung zulasse. Eine Beschäftigung während eines Studiums sei aber versicherungsfrei, wenn sie nur die Nebensache und das Studium die Hauptsache sei. Bei einem Studium, das auf einen regelförmigen Abschluss gerichtet sei, komme es nicht darauf an, wie es tatsächlich durchgeführt werde. So sei es unerheblich, wenn z.B. im Einzelfall wegen besonderer Vorkenntnisse weniger Zeit aufgewendet werden müsse. Der Kläger könne ausschließlich in den Semesterferien bzw. in den Zeiten, in denen er durch Lehrveranstaltungen oder sonstige mit dem Studium zusammenhängende Anforderungen nicht belastet sei, eine entgeltliche Tätigkeit aufnehmen. Das Studium bleibe damit die Hauptsache. Zu dem vom Kläger zitierten Urteil des H. LSG führte die Beklagte aus, es stelle eine Einzelfallentscheidung dar.
Mit seiner am 27.12.2012 zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er hat vorgetragen, er habe im September keinen Verpflichtungen der Hochschule unterlegen. Er hat auf eine Pressemitteilung des SG Mainz in einem weiteren gleich liegenden Verfahren verwiesen, in dem die Beklagte ein Anerkenntnis abgegeben hatte.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Der Studentenstatus bestehe bereits ab Semesterbeginn, sodass zwischen Semester- und Vorlesungsbeginn kein Anspruch auf Alg bestehe.
Zwischenzeitlich haben die Parteien diskutiert, ob der Kläger auch wegen seines Umzugs an den Studienort nicht mehr den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung gestanden habe. Ferner ist besprochen worden, ob eine eventuelle Nachzahlung verzinst werden müsse und ab wann ggfs. ein Zinsanspruch bestanden habe.
Entsprechend dem schriftsätzlichen Antrag des Klägers vom 27.11.2013 hat das SG die Beklagte mit Gerichtsbescheid vom 27.01.2014 unter Abänderung des Bescheids vom 05.09.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.12.2012 verurteilt, dem Kläger für September 2012 Arbeitslosengeld in Höhe von € 845,70 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4 % p.a. seit dem 29.12.2012 zu zahlen.
In der Hauptsache hat das SG ausgeführt, der Kläger sei auch im September 2012 arbeitslos gewesen. Insbesond...