Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebung bzw Rücknahme der Arbeitslosengeldbewilligung. Leistungsgruppenzuordnung. Lohnsteuerklassenwechsel von Ehegatten. Verfassungsmäßigkeit. Verletzung der Mitteilungspflicht. Unkenntnis der Rechtswidrigkeit. unrichtige Angaben. grobe Fahrlässigkeit
Orientierungssatz
1. Der Senat hat keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Vorschrift des § 137 Abs 4 S 1 Nr 2 SGB 3.
2. Für die Auslegung des Begriffs der groben Fahrlässigkeit kann die Funktion des Steuerklassenwechsels im Steuerrecht nicht unberücksichtigt bleiben (vgl BSG vom 29.8.2002 - B 11 AL 87/01 R = BFH/NV 2003, Beilage 2, 145 = AuB 2003, 22). Da das Steuerrecht davon ausgeht, dass dem Ehegatten bei Eintritt von Arbeitslosigkeit ein Wechsel in die zweckmäßige Steuerklassenkombination ermöglicht werden muss, muss ein Ehegatte, der vor Eintritt der Arbeitslosigkeit ein erheblich höheres Arbeitsentgelt als seine Ehefrau erzielt hat, nicht damit rechnen, dass der Lohnsteuerklassenwechsel negative Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch haben würde.
3. Der Hinweis im Merkblatt für Arbeitslose, der diesen lediglich verpflichtet einen bereits vollzogenen Lohnsteuerklassenwechsel zu melden, und der allgemeine Hinweis, der Arbeitslose solle sich beraten lassen, genügen nicht dafür, den Schluss auf eine grobfahrlässige Verletzung einer Mitteilungspflicht oder eine grobfahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit der Bewilligung zuzulassen.
4. Weder verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 137 Abs 4 S 1 Nr 2 SGB 3 noch der nicht hinreichende Inhalt des Merkblattes des Arbeitsamtes rechtfertigen es, die einfache Frage des Arbeitsamtes nach erfolgten Änderungen der Lohnsteuerklasse falsch zu beantworten. In diesem Fall liegt grobe Fahrlässigkeit iS von § 45 Abs 2 S 3 Nr 2 SGB 10 vor.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) und Arbeitslosenhilfe (Alhi) und Rückforderung von DM 3.294,18.
Der 1943 geborene (während des gesamten streitigen Zeitraums verheiratete und kinderlose) Kläger war bis zum 31.12.1993 als Außendienstmitarbeiter beschäftigt. Mit Wirkung zum 1.1.1994 meldete er sich beim Arbeitsamt (AA) U arbeitslos. Das AA bewilligte Leistungen für eine Anspruchsdauer von 676 Tagen (nach dem AFG). Ab 4.10.1994 hob das AA die Bewilligung wegen eigener Abmeldung des Klägers auf. Mit Wirkung zum 29.11.1997 meldete er sich erneut arbeitslos und beantragte die Wiederbewilligung von Alg. Zu diesem Zeitpunkt war in seiner Steuerkarte die Lohnsteuerklasse III/0 eingetragen, was er dem AA angab. Er versicherte, er werde Änderungen unverzüglich anzeigen und bestätigte den Erhalt und die Kenntnisnahme des Merkblatts für Arbeitslose. Das AA bewilligte Alg für eine Restanspruchsdauer von 439 Tagen (nach SGB III). Ab 5.4.1999 hob das AA die Bewilligung auf.
Am 15.10.1999 beantragte er die Wiederbewilligung von Leistungen. Er gab an, im Laufe des Jahres sei die Lohnsteuerklasse nicht geändert worden. Er erhielt erneut ein Merkblatt und gab dieselbe Versicherung ab, wie beim vorherigen Antrag. Das AA bewilligte mit Bescheid vom 04.11.1999 Alhi ab 19.10.1999 bis zum 18.10.2000 zunächst ab 19.10.1999 in Höhe von 391,65 DM. Mit Bescheid vom 26.1.2000 passte es die Leistung an die Leistungsverordnung 2000 an (Zahlbetrag nunmehr DM 394,94 wöchentlich). Den Bewilligungen lag die Leistungsgruppe C (Steuerklasse III) zu Grunde. Mit Leistungsgruppe A (Steuerklasse IV) hätte der Kläger DM 322,63 wöchentlich erhalten. Mit Bescheid vom 07.06.2000 hob das AA die Bewilligung von Alhi mit Wirkung vom 12.5.2000 wegen Arbeitsunfähigkeit auf und forderte 1128,40 DM zurück. Diesen Bescheid focht der Kläger nicht an. Er erhielt vom 12.5.2000 bis 27.10.2000 Krankengeld.
Mit Wirkung zum 28.10.2000 meldete er sich erneut arbeitslos und beantragte Alg. Er gab im Antrag an, auf der Steuerkarte sei die Steuerklasse III eingetragen, die sich im Laufe des Jahres nicht geändert habe. Er erhielt erneut ein Merkblatt und gab dieselbe Versicherung ab, wie beim vorherigen Antrag. Das AA zahlte wegen des Erwerbs eines neuen Anspruchs auf Grund der vorgenannten Zeit des Bezugs von Krankengeld sowie weiterer Bezugszeiten diese Leistung. In der Zeit vom 28.10.2000 bis 31.12.2000 erhielt der Kläger Alg auf Grund des Bescheides vom 20.10.2000 ab 28.10.2000 unter Zugrundelegung von Leistungsgruppe C in Höhe von DM 478,45 wöchentlich. Mit Bescheid vom 03.01.2001 passte das AA die Leistung an, vom 01.01.2001 bis 30.4.2001 erhielt er Alg nach Leistungsgruppe C in Höhe von DM 489,93 wöchentlich. In Leistungsgruppe A hätten ihm wöchentlich DM 392,42 bis zum 31.12.2000 und DM 405,23 wöchentlich ab 01.01.2001 zugestanden.
Im Jahr 2000 war zunächst Lohnsteuerklasse III auf der Steuerkarte eingetragen. Mit Wirkung vom 01.02.2000 an wechselte er die Lohnsteuerklasse in IV, diese Eintragung wurde am 10.01.2000 auf der Lohnsteuerkarte 2000 vorgenommen. Mit Wirkung zum 01.06.2001 wechselte er erneut die Steuerklasse, zurück von Lo...