Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. verspätete Antragstellung. anteilige Kostenübernahme. Umzug in unangemessene Wohnung. Kostenübernahme für eine Übergangszeit. trotz fehlender Zusicherung
Leitsatz (amtlich)
1. Bei verspäteter Antragstellung zur Monatsmitte sind die Leistungen für Unterkunft und Heizung anteilig für die zweite Monatshälfte zu erbringen, auch wenn die Mietzahlung bereits zum Monatsbeginn erfolgt ist.
2. Die Obliegenheit, eine Zusicherung gemäß § 22 Abs 2 S 1 SGB 2 vor einem Wohnungswechsel einzuholen, trifft nur erwerbsfähige Hilfebedürftige, nicht Personen, die Arbeitslosengeld I beziehen.
3. Bei einem Umzug in eine nicht angemessene Wohnung vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit ist die Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten für eine Übergangszeit nach § 22 Abs 1 S 3 SGB 2 nicht ausgeschlossen.
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 09. Juli 2008 wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin des Berufungsverfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe von Leistungen für Unterkunft und Heizung sowie darüber, ob der Beklagte für die Zeit vom 17. bis 31. August 2007 überhaupt Mietkosten zu gewähren hat, obwohl die Miete für den Monat August zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits entrichtet worden war.
Die 1953 geborene Klägerin war zuletzt als Hauswirtschafterin in Privathaushalten beschäftigt. Vom 01. Oktober 2006 bis 14. Januar 2007 bezog sie Arbeitslosengeld, anschließend stand sie erneut in einem Beschäftigungsverhältnis als Hauswirtschafterin zur Betreuung einer 91 jährigen Seniorin. Diese kündigte das Beschäftigungsverhältnis im April 2007 mit Wirkung zum 31. Mai 2007 und forderte die Klägerin mit Schreiben vom 01. Juni 2007 auf, die ihr zur Verfügung gestellte Dienstwohnung im Hause der Arbeitgeberin umgehend zu räumen. Vom 01. Juni bis zum Auslaufen des Anspruchs am 16. August 2007 bezog die Klägerin erneut Arbeitslosengeld in Höhe von 25,75 € täglich. Am 11. Juli 2007 schloss die Klägerin einen Mietvertrag ab mit Wirkung zum 15. Juli 2007 über eine Zwei-Zimmer-Wohnung von 50 qm zu einer Kaltmiete von 450 € inklusive Stellplatz zuzüglich Nebenkosten in Höhe von 100 €.
Auf Antrag der Klägerin vom 17. August 2007 zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) bewilligte der Beklagte für die Zeit vom 01. September 2007 bis 29. Februar 2008 monatlich 332 € an Unterkunftskosten. Bei der Anmietung sei der Klägerin bereits bewusst gewesen, dass sie die Wohnung auf Dauer nicht aus eigenen Mitteln werde finanzieren können. Da die Klägerin sich keine Zusicherung zur Anmietung beim Kommunalen Träger eingeholt habe, könnten ab Beginn nur die angemessenen Kosten der Unterkunft berücksichtigt werden. Angemessen sei eine Wohnfläche von 45 qm und eine Kaltmiete von 5,50 € pro qm, somit 248 € zuzüglich Nebenkosten.
Mit ihrem Widerspruch vom 28. September 2007 machte die Klägerin geltend, ihre damalige Arbeitgeberin habe die Dienstwohnung für ihre Nachfolgerin benötigt und anwaltlich mit Zwangsräumung gedroht, wenn sie nicht sofort ausziehe. Sie habe sich um eine Wohnung und um Arbeit kümmern müssen und keine Ahnung gehabt, dass sie einen Träger um Erlaubnis fragen müsse. Die Wohnung in H. sei die billigste und die einzige Wohnung gewesen, die sie in der Zeit habe anmieten können. Außerdem seien die Unterkunftskosten ab 17. August 2007 zu gewähren, auch wenn die Miete am 01. August bereits überwiesen worden sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 2008 half der Beklagte dem Widerspruch teilweise ab und gewährte für die Zeit September 2007 bis Februar 2008 Leistungen in Höhe von monatlich 349 €, welche sich aus einer als angemessen angesehen Kaltmiete in Höhe von 248 € zuzüglich der monatlichen, pauschal angemessenen kalten Nebenkosten in Höhe von 36 € zuzüglich der pauschal angemessenen Heizkosten in Höhe von 65 € zusammensetzten. Im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück. Der Bedarfsdeckungsgrundsatz gelte auch bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Die Miete für den Monat August 2007 sei zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits vollständig beglichen gewesen, der Bedarf somit bereits gedeckt. Für August 2007 bestehe daher kein Anspruch auf Übernahme der anteiligen Unterkunfts- und Heizkosten. Darüber hinaus könnten nicht die tatsächlichen, sondern nur die angemessenen Unterkunfts- und Heizkosten berücksichtigt werden. Ein Hilfeempfänger, der aus seiner bisherigen Wohnung ausziehe und ohne Notwendigkeit in eine unangemessen teuere Wohnung umziehe, handele auf eigenes Risiko und müsse damit rechnen, dass er von Anfang an lediglich die angemessenen Unterkunfts- und Heizkosten erhalten könne (unter Hinweis auf Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ≪BVerwG≫ vom 09. April 1997 - 5 C 2.96 - ≪juris≫). Auf Unkenntnis könne sich die Klägerin nicht berufen, da sie im Wis...