Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Kostenerstattung. selbstbeschaffte Leistung. Diabetes. Aufenthalt und Behandlung in einem Diabetes-Dorf. stationäre Krankenhausbehandlung. Abgrenzung zwischen vollstationärer Krankenhausbehandlung und stationärer medizinischer Rehabilitation

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Erstattung der Kosten eines Aufenthalts und einer Behandlung in einem sog Diabetes-Dorf (vgl LSG Stuttgart vom 18.6.2013 - L 11 KR 3897/11).

 

Orientierungssatz

Zur Frage der Abgrenzung zwischen vollstationärer Krankenhausbehandlung und stationärer medizinischer Rehabilitation.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 7. August 2012 aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 8. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Mai 2012 verurteilt, der Klägerin € 1.224,03 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung für Unterkunfts- und Verpflegungskosten für einen achtzehntätigen Aufenthalt in dem sog. Diabetes-D. A. (im Folgenden: Diabetes-D.) in Höhe von € 1.224,03.

Das Diabetes-D. besteht aus einem Praxishaus, in dem Internist Dr. T. und Pädiaterin Dr. G., die beide zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind, praktizieren, vier normalen Mehrfamilienhäusern, einem kombinierten “Rat- und Kinderhaus„ mit Schulungssaal sowie einem Versandhandelshaus. Träger dieser Einrichtung ist seit 1994 die Firma Diabetes-D. A. GmbH, deren Geschäftsführer Dr. T. ist. In jedem der Häuser leben für 18 Tage sieben bis 19 Personen, die unter Diabetes mellitus Typ I leiden, bzw. deren Angehörige. Unter Alltagsbedingungen sollen die Diabetiker dort mit Unterstützung der Betreuer die Pumpentherapie lernen.

Die Klägerin ist am 24. Dezember 1960 geboren. Sie ist bei der Beklagten krankenversichert. Die Klägerin ist seit 1990 an Diabetes mellitus Typ I erkrankt. Seit dem Jahr 2002 führt sie aufgrund eines ausgeprägten Dawn-Phänomens (Arztbrief des Prof. Dr. S., St. V.-Klinken K., vom 1. April 2014) eine Insulinpumpentherapie durch; seit dem Jahr 2005 war sie im Rahmen des Disease Management Programms (DMP) in der Gemeinschaftspraxis Z. und Kollegen in K. in ärztlicher Behandlung. Im Verlauf kam es wiederholt zu erheblichen Schwankungen des Blutzuckerspiegels der Klägerin. Am 23. März 2010 wurde die Klägerin notfallmäßig in die St. V.-Klinken K. aufgenommen; bei Aufnahme wurde ein HbA1c-Wert von 9,2 Prozent festgestellt (Arztbrief des Prof. Dr. S. vom 1. April 2010). Die Klägerin wurde dort bis zum 1. April 2010 stationär behandelt. Zwischen dem 31. März und dem 6. April 2010 sowie zwischen dem 13. und 26. Mai 2010 wurden wiederholt Blutzuckerwerte von über 200 bis hin zu 326 mg/dl, aber auch von unter 50 mg/dl gemessen.

Mit Schreiben vom 27. Februar 2012 beantragte Dr. T. für die Klägerin bei der Beklagten die Übernahme der Kosten in Höhe der “Fallpauschale„ von € 1.224,03 für eine Insulinpumpentherapie-Korrektureinstellung mit intensiver Schulung in dem von ihm geführten Diabetes-D. Die derzeitige Verwendung der Pumpentherapie durch die Klägerin erreiche bei Weitem nicht das, was eine Pumpentherapie leisten könne und auch solle. Sie reiche nach den internationalen Therapiestandards nicht aus, sie langfristig vor dem Auftreten bzw. dem Verschlechtern von Spätschäden zu schützen. Die Klägerin bekomme ihre Blutzuckerschwankungen von 40 bis 300 mg/dl alleine nicht in den Griff. Ihr fehle vieles für die Durchführung der Pumpentherapie notwendiges Detailwissen. Das Erreichen der Kenntnisse allein unter rein ambulanten Bedingungen gelänge nicht.

Mit Bescheid vom 8. März 2012 lehnte die Beklagte gegenüber der Klägerin die Beteiligung an den Kosten für die beantragte Maßnahme ab. Es könnten nur Kosten für Patientenschulungen übernommen werden, wenn diese nach wissenschaftlichen Erkenntnissen geeignet seien, eine Krankheit und deren Folgen nachhaltig und deutlich zu verbessern. Das von der Klägerin beantragte Schulungsprogramm erfülle diese Voraussetzungen nach den ihr vorliegenden Erkenntnissen nicht.

Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 22. März 2012 Widerspruch. Sie verwies auf das Antragsschreiben des Dr. T. und trug weiter vor, aus der S 3-Leitlinien-Therapie des Typ I-Diabetes der Deutschen Diabetes-Gesellschaft gehe hervor, dass Schulungen für Menschen mit Typ I-Diabetes empfohlen würden. Ihr seien bisher lediglich eine technische Einweisung in die Anwendung ihrer Insulinpumpe und eine Schulung im Krankenhaus mit Typ II-Diabetikern angeboten worden. Eine umfassende Schulung habe sie bisher nicht erhalten. Sie weise einen deutlich erhöhten HbA1c-Wert von zehn Prozent auf - der Normwert betrage 6,1 Prozent -, was bei fehlender Therapierung mittelfristig erhebliche Folgeschäden befürchten lasse, die wiederum mit erheblichen Kosten für die Krankenkassen verbunden wären. Dieser erhöhte Wert sei Er...

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