Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenerstattung. selbstbeschaffte Leistung. Diabetes. Aufenthalt in einem Diabetes-Dorf. Unterkunfts- und Verpflegungskosten. weder stationäre Krankenhausbehandlung noch stationäre Rehabilitation. Patientenschulung. Auswahlermessen der Krankenkasse
Leitsatz (amtlich)
1. Unterkunfts- und Verpflegungskosten eines Aufenthalts in einem "Diabetes-Dorf", in welchem vertragsärztliche Leistungen erbracht werden, sind weder Leistungen der stationären Krankenhausbehandlung noch stationäre Rehabilitation.
2. Für Patientenschulungen iS des § 43 Abs 1 Nr 2 SGB V besteht Auswahlermessen der Krankenkassen. Dies steht einem Anspruch auf Kostenerstattung iS des § 13 Abs 3 SGB V regelmäßig entgegen.
Tenor
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 28. Juli 2017 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten der Unterkunft und Verpflegung für ihren Aufenthalt im Diabetes-Dorf A im Jahr 2013.
Die 1960 geborene und bei der Beklagten versicherte Klägerin leidet an Diabetes Mellitus Typ 1 mit starken Blutzuckerschwankungen, einer Diabetischen Retinopathie III., einer diabetisch sensorisch betonten Polyneuropathie, einem diabetischen Fußsyndrom und diabetischer Gastroparese sowie einem arteriellen Hypertonus. Die Klägerin nutzt seit 2004 eine Insulinpumpe. Die Klägerin ist Betriebsärztin.
Das Diabetes-Dorf A ist eine Einrichtung, in welcher bis zum 30. September 2015 der Internist Dr. T und die Pädiaterin Dr. G, die beide zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen waren, im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis praktizierten. Die Einrichtung bestand aus einem „Praxishaus“ mit der Gemeinschaftspraxis sowie vier normalen Mehrfamilienhäusern, einem kombinierten „Rat- und Kinderhaus“ mit Schulungssaal sowie einem Versandhandelshaus. Träger dieser Einrichtung war seit 1994 die Firma D, deren Geschäftsführer Dr. T war. In jedem der (Mehrfamilien-)Häuser konnten für 18 Tage sieben bis 19 Personen leben, die unter Diabetes mellitus Typ I leiden, bzw. deren Angehörige. Das Diabetes-Dorf konnte nach eigener Angabe bis zu 61 Patienten behandeln. Unter Alltagsbedingungen sollten die Patientinnen und Patienten dort mit Unterstützung und Betreuung die Pumpentherapie, d.h. Leben und Umgang mit der Insulinpumpe, lernen. Lernen, Essen zubereiten, gemeinsames Essen, Diskussionen zur Therapiefindung, Anpassungsübungen, Arztgespräche, erforderlichenfalls Behandlungen sowie Haushaltsarbeiten wechselten einander ab. Die ärztlichen Leistungen rechneten die beiden Ärzte gemäß der vertragsärztlichen Versorgung, d.h. nach dem EBM, ab. Für Unterkunft und Verpflegung erhob die Einrichtung eine sog. „Fallpauschale“, die pro Tag des Aufenthalts aus Kosten für das Zimmer (33,75 Euro pro Tag), Nebenkosten (26,58 Euro für Personal/Strom, Wasser, etc.) sowie Lebensmittelkosten von 7,67 Euro bestand. Für einen Aufenthalt von 18 Tagen berechnet die Einrichtung eine Fallpauschale in Höhe von 1.224,03 Euro.
Dr. T beantragte für die Klägerin bei der Beklagten die Übernahme einer Fallpauschale in Höhe von 1.224,03 Euro mit Antrag vom 15. Mai 2013, der am 28. Mai 2013 bei der Beklagten einging. Für die Klägerin sollte in Anbetracht der fortgeschrittenen diabetischen Folgeschäden eine Überprüfung ihrer Therapie erfolgen, auch zur weiteren Bewältigung ihrer beruflichen Herausforderungen als Betriebsärztin. Eine ambulante Betreuung reiche, so Dr. T in dem Antrag, nicht aus. Eine Einweisung in ein Krankenhaus lehne die Klägerin ab, weil sie die Therapieoptimierung unter Alltagsbedingungen bewerkstelligen wolle. Es sollten über 100 theoretische Unterrichtsstunden sowie viele praktische Übungen erfolgen sowie ein Kochen in eigenen Küchen, um den Alltag abzubilden. Gemäß einer Stellungnahme der die Klägerin behandelnden Oberärztin S. (Ermächtigungssprechstunde Diabetologie der Inneren Abteilung des Krankenhauses Spremberg) vom 29. April 2013 stellte sich die Normoglykämie unter laufender Insulinpumpentherapie als sehr schwierig dar. Es liege ein „Brittle-Diabetes“ mit starken Blutzuckerschwankungen vor, eine Mitbetreuung im Diabetes-Dorf A werde von ihr nachdrücklich empfohlen.
Die Beklagte lehnte die Übernahme der Kosten für Unterbringung und Verpflegung mit Bescheid vom 04. Juni 2013 ab. Bei den Fallpauschalen für Unterkunft und Verpflegung handele es sich um Leistungen, die nicht vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen erfasst würden. Für ambulante wohnortnahe Patientenschulungsmaßnahmen könnten nach § 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB V Kosten übernommen werden. In begründeten Fällen würde sich die Beklagte auch an den Kosten von stationär durchgeführten krankheitsbezogenen Schulungen beteiligen. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 2013 zurück. Zwischenzeitlich nahm die Klägerin in der Zeit vom 30. Juli 2013 bis zum 16. August 2013 a...