Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. keine Kostenübernahme für implantatgestützten Zahnersatz. keine Hilfe in sonstigen Lebenslagen. vergleichbar der Hilfe bei Krankheit. Leistungserbringung wie in der gesetzlichen Krankenversicherung. keine Kostenübernahme für darüber hinausgehende Leistungen. keine abweichende Festlegung des individuellen Bedarfs gem § 27a Abs 4 S 1 SGB 12. einmaliger Bedarf

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung (Urteil vom 29.6.2011 - L 2 SO 5698/10 = SAR 2011, 110) fest, dass auch bei fortgeschrittener Kieferatrophie weder ein Anspruch gegen den Sozialhilfeträger auf die Gewährung eines Zuschusses noch eines Darlehens zum Zwecke einer Finanzierung implantatgestützten Zahnersatzes gem § 73 SGB 12 besteht. Vielmehr ist der Sozialhilfeempfänger wie alle gesetzlich Krankenversicherten in diesem Fall auf die Versorgung mit einem "normalen" Zahnersatz/-Prothese zu verweisen.

2. Nichts anderes ergibt sich auch aus § 27a Abs 4 S 1 SGB 12, da es sich hier nicht um einen laufenden, sondern gerade um einen einmaligen Bedarf handelt.

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 19. März 2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten für eine Zahnbehandlung (im hier anhängigen Rechtsstreit für die Versorgung mit einer Prothese) in Höhe von zuletzt 576,95 €.

Die am ... 1929 geborene Klägerin steht unter gesetzlicher Betreuung (Beschluss des Amtsgerichts W. vom 15.2.2012, Bl. 15 SG-Akte). Sie lebt seit 2010 im B.-Heim in W. und bezieht wegen der nicht gedeckten Heimpflegekosten Hilfe zur Pflege nach dem 7. Kapitel des SGB XII. Seit dem 1.11.2011 besteht Pflegestufe III, zuvor Pflegestufe II. Sie ist bei der DAK W. gesetzlich krankenversichert.

Am 29.6.2011 beantragte die Tochter der Klägerin beim Beklagten die Übernahme von “Restkosten„ für Zahnersatz in Höhe von “voraussichtlich 767,96 €„ ((Bl. 303 der Verwaltungsakte - VA-, tatsächliche Kosten laut Rechnung vom 8.12.2011: 576,97 €, Bl. 485 VA) im Rahmen der Sozialhilfe. Der bisherige Zahnersatz sei vom Pflegepersonal nicht mehr eingesetzt worden, da er nicht mehr gehalten habe und durch das ständige Verrutschen zu Erstickungsgefahr geführt habe. Herkömmlicher Zahnersatz sei aufgrund der zu flachen Beschaffenheit des Kiefers nicht mehr möglich. Die einzige Möglichkeit sei, den Zahnersatz durch Stützstifte zu befestigen. Die DAK habe sowohl die gängige Übernahme der Kosten bewilligt als auch einen weiteren Teil zusätzlich aufgrund der Härtefallregelung. Der verbleibende Restbetrag sei auf die Nichtübernahme der Stützstiftbehandlung durch die DAK zurückzuführen.

Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 11.7.2011 (Bl. 307 VA) ab. Nach § 52 Abs. 1 SGB XII entsprächen die Hilfen nach den §§ 47 bis 51 den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Mit dem von der Krankenversicherung gewährten Höchstbetrag könne die Regelversorgung vollständig abgedeckt werden. Es blieben folglich keine Kosten ungedeckt, die im Falle der Inanspruchnahme einer nach den Grundsätzen der §§ 12, 28 SGB V ausreichenden, das Maß des Notwendigen nicht unterschreitenden Versorgung mit Zahnersatz entstünden.

Hiergegen legte die Klägerin über ihre Tochter am 11.8.2011 Widerspruch ein. Über § 52 Abs. 1 SGB XII hinaus wäre ihrer Auffassung nach ergänzend zu prüfen gewesen, inwieweit die beantragte Leistung als einmaliger Bedarf nach § 31 SGB XII oder als Hilfe in sonstigen Lebenslagen nach § 73 SGB XII zu gewähren sei. Zahnersatz nach Regelversorgung halte im Kiefer der Klägerin nicht. Deshalb sei das Setzen von Implantatstiften die einzige medizinisch-technische Lösung. Die Leistung sei erforderlich, um Nahrungsaufnahme und Kommunikationsfähigkeit zu gewährleisten und die Menschenwürde zu erhalten. Ergänzend legte die Klägerin im August 2011 einen Kostenvoranschlag (betreffend die Prothese, voraussichtlicher Rechnungsbetrag 767,96) und einen Behandlungsplan (betreffend die Implantate, voraussichtliche Behandlungskosten 774,33 €) des Zahnarztes Dr. D. vom 8.6.2011 und 11.4.2011 (Bl. 345, 349 VA) sowie Atteste des Zahnarztes Dr. D. vom 27.9.2011 (Bl. 365 VA) und des Allgemeinmediziners Dr. K. vom 15.9.2011 (Bl. 367 VA) vor. Dr. D. bescheinigte, dass sich der Unterkiefer derartig atrophiert habe, dass eine Unterkieferprothese auch mit Haftcreme nicht halten könne. Bei jedem Essen und Sprechen würde die Prothese aus dem Mund fallen. Nach Dr. K. sei der aktuelle Zustand mit einem würdevollen Dasein unvereinbar; neben der Unfähigkeit, Nahrung zu kauen, bestünden auch massive Störungen der Kommunikation und der sozialen Interaktion, da die Wortbildungsfähigkeit durch die veränderte Mechanik des Mundes und mimischen Apparates gestört sei.

Die Behandlung wurde ab dem 19.9.2011 (bis 6.10.2011) durchgeführt (vgl. die von der Klägerin im Dezember 2011 noch vorgelegten Privatrechnungen des ...

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