Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommens- oder Vermögensberücksichtigung. Zugewinnausgleichszahlungen nach Ehescheidung
Leitsatz (amtlich)
Galt für eine geschiedene Ehe der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft, stellen Zugewinnausgleichszahlungen während des laufenden Leistungsbezugs grundsicherungsrechtlich Einkommen dar; es liegt nicht lediglich eine Vermögensumschichtung vor.
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 21. März 2017 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit von Mai bis Oktober 2016.
Die 1962 geborene Klägerin, ukrainischer Staatsangehörigkeit, verfügt seit Januar 2005 über eine unbefristete Niederlassungserlaubnis. Die Klägerin war seit 12. August 1999 mit einem deutschen Staatsangehörigen verheiratet gewesen; seit Ende April 2014 lebten die Eheleute getrennt. Durch Beschluss des Amtsgerichts M. vom 7. April 2016 (rechtskräftig geworden noch am selben Tag) wurde die Ehe unter Anwendung deutschen Rechts geschieden. Schon zuvor hatten die Eheleute mit Bezug auf den Zugewinnausgleich eine außergerichtliche Einigung erzielt; in einer notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung vom 21. März 2016 wurde u.a. vereinbart, dass die Klägerin vom Ehemann eine Ausgleichszahlung über 8.000,00 Euro erhalte. Dieser Betrag wurde am 18. April 2016 auf dem Girokonto der Klägerin bei der Sparkasse N. (Nr. 0001 gutgeschrieben. Noch am selben Tag überwies die Klägerin die von der sie im Scheidungsverfahren vertretenden Rechtsanwältin geforderte Anwaltsvergütung in Höhe von 1.517,63 Euro (Rechnung vom 11. April 2016) auf deren Konto. Am 21. April 2016 transferierte die Klägerin einen weiteren Betrag von 3.900,00 Euro auf ihr Tageskonto bei der Sparkasse N. (Nr. 0002).
Zum 1. Mai 2014 hatte die Klägerin eine Mietwohnung in S. bezogen (monatliche Gesamtmiete 334,00 Euro). Nach einem wegen Eigenbedarfs erforderlich gewordenen Umzug mietete die Klägerin innerhalb von S. zum 15. Dezember 2015 eine Zweizimmer-Wohnung an, für die sie eine monatliche Gesamtmiete von 335,00 Euro (Kaltmiete 235,00 Euro, Heizkosten 66,00 Euro, kalte Nebenkosten 34,00 Euro) aufzubringen hat. Ab Oktober 2013 arbeitete die Klägerin in einem mittelständischen Unternehmen in A., seit Mai 2014 allerdings nur noch als geringfügig Beschäftigte; der Arbeitsverdienst wurde jeweils zum Ende des Monats auf das Girokonto der Klägerin überwiesen. Im Jahr 2016 belief sich das Arbeitsentgelt in den Monaten Mai bis Juli sowie September und Oktober auf monatlich 450,00 Euro brutto (433,35 Euro netto), im August wegen einer Urlaubsvertretung auf 900,00 Euro brutto (866,70 Euro netto).
Seit Mai 2014 bezog die Klägerin vom Beklagten (aufstockend) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Zuletzt bewilligte ihr der Beklagte auf den Weiterbewilligungsantrag vom 28. September 2015 für die Zeit vom 1. November 2015 bis 30. April 2016 vorläufig Leistungen in Höhe von monatlich 469,65 Euro (Bescheid vom 15. Oktober 2015). Nachfolgend erhöhte sich die vorläufig gewährte Leistung auf Grund des fortgeschriebenen Regelbedarfs sowie der wegen des Umzugs zum 15. Dezember 2015 geänderten höheren Monatsmiete u.a. in der Zeit vom 1. Januar bis 30. April 2016 auf monatlich 475,65 Euro (vgl. Bescheid vom 22. Dezember 2015).
Am 22. April 2016 beantragte die Klägerin die Weiterbewilligung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 8. Juni 2016 für die Zeit ab Mai 2016 ab, weil die Klägerin auf Grund der Höhe ihres Einkommens nicht hilfebedürftig sei; bei einer Aufteilung des Einkommens (Zugewinn 8.000,00 Euro abzügl. 1.517,63 Euro Rechtsanwaltskosten) auf einen Abrechnungszeitraum von sechs Monaten ergebe sich ein monatliches Einkommen in Höhe von 1.080,40 Euro, sodass ein Leistungsanspruch in diesem Zeitraum nicht bestehe. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, bei der Zahlung aus dem Zugewinnausgleich handele es sich lediglich eine Vermögensumschichtung, nicht aber um Einkommen im Sinne des § 11 SGB II. Eine andere Auslegung würde zu dem ihres Erachtens grundrechtswidrigen Ergebnis führen, dass einem Ehepaar, bei welchem der eine Partner während der Ehezeit Vermögen in Höhe des Vermögensfreibetrages nach dem SGB II aufgebaut habe, als Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II gewährt würden, nach einer Scheidung der Ausgleichsberechtigte sich jedoch, trotz der dadurch zusätzlich entstehenden Verschlechterung der Lebenssituation, den Zugewinnausgleich auf die Leistungen anrechnen lassen müsste. Mit Widerspruchsbescheid vom 7. November 2016 wurde der Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, die Zusammenrechnung der Vermögensfreibeträge im SGB I...