Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfüllung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Bezug einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei einem Versicherten mit Arbeitsunfähigkeitszeiten ohne Anspruch auf Krankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung
Leitsatz (amtlich)
Versicherte, die in Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit keinen Anspruch auf Krankengeld haben, weil sie nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) oder in der GKV nicht mit Anspruch auf Krankengeld versichert waren, können in dieser Zeit keine Anrechnungszeiten erwerben (§ 58 Abs 3 SGB VI). Diese Zeiten der Arbeitsunfähigkeit sind auch keine Verlängerungstatbestände gemäß § 43 Abs 4 Nr 3 SGB VI.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 21.02.2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger macht einen Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente ab Mai 2017 geltend.
Der 1961 geborene Kläger erlernte von 1982 bis 1985 den Beruf des Industriekaufmanns und absolvierte von 1988 bis 1990 eine Weiterbildung zum Betriebswirt. Den ersten Pflichtbeitrag (berufliche Ausbildung) zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtete er am 01.07.1982. Er war zuletzt bei verschiedenen Firmen als Betriebswirt im Export versicherungspflichtig beschäftigt. Sein letztes Anstellungsverhältnis wurde seitens der Arbeitgeberin aus betriebsbedingten Gründen zum 30.06.2016 gekündigt. Seitdem war der Kläger nicht mehr erwerbstätig. Nach dem 01.07.2016 war er auch nicht wegen Arbeitslosigkeit bei einer deutschen Agentur für Arbeit oder einem zugelassenen kommunalen Träger nach § 6a des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch als Arbeitsuchender gemeldet. Der Kläger ist privat krankenversichert. Von seiner privaten Versicherung erhielt er zunächst Krankentagegeld; seit Januar 2017 betrachtet ihn die private Versicherung als berufsunfähig, weil er im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit mehr als 50% erwerbsunfähig sei (Schreiben der B Versicherungen vom 06.02.2017). In der Zeit von 31.05.2012 bis zum 30.05.2017 wurden mehr als drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder aufgrund des Bezugs von Lohnersatzleistungen im Sinne des § 3 Satz 1 Nr 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) entrichtet; insgesamt sind Beitragszeiten von mehr als fünf Jahren vorhanden.
Vom 18.10.2016 bis zum 13.12.2016 befand sich der Kläger in stationärer psychosomatischer Behandlung in der Akutklinik U, einer Privatklinik für Psychosomatik und Psychotherapie in W. Im Bericht der Klinik über diesen stationären Aufenthalt vom 16.12.2016 werden folgende Diagnosen genannt:
- Mittelgradige depressive Episode (F32.1)
- Neurasthenie (F48.0)
- Abhängigkeits-Syndrom von Nikotin (F17.2)
- Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung (Z73)
- Chronisches LWS-Syndrom (M47.09).
Der Kläger wurde als weiterhin arbeitsunfähig betrachtet; ihm wurde zu einer ambulanten Psychotherapie sowie zu einer Intervalltherapie mit stationärer Wiedervorstellung im Frühjahr zur vertieften Bearbeitung geraten, wenn sich sein Zustand verschlechtere auch schon früher.
Am 31.05.2017 beantragte der Kläger die streitgegenständliche Erwerbsminderungsrente. Zur Begründung machte er Burnout, Müdigkeit, Schlafstörungen, Depression und Rückenschmerzen geltend. Die Beklagte holte im Verwaltungsverfahren das Gutachten des M, T, vom 14.11.2017 ein, welches auf einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 14.11.2017 beruht. Der Gutachter diagnostizierte beim Kläger eine Anpassungsstörung (ICD F43.2) und vertrat die Auffassung, dass keine relevanten sozialmedizinischen Einschränkungen zu erkennen seien. Gestützt auf dieses Gutachten lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 08.01.2018 und Widerspruchsbescheid vom 03.07.2018 ab.
Am 11.07.2018 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Zur Begründung der Klage hat er ua ein von ihm in Auftrag gegebenes Gutachten des Arztes für R vom 24.08.2018/15.09.2018 vorgelegt. Darin geht R ua von einer psychoneurotischen Depression aus. Ferner heißt es in dem Gutachten, der Kläger habe seit Jahren eine Neigung zu Alkohol und rauche zu viel. Mehrfache Enttäuschungen im Arbeitsbereich habe er nicht kompensieren können. Er neige zu passiven Reaktionen mit Rückzug, Vermeidungsverhalten und Selbstmitleid. Eine 4 bis 6-stündige Tätigkeit im Bürobereich halte er noch für zumutbar. Längerfristig erscheine die Prognose nach dem bisherigen Verlauf eher ungünstig.
Das SG hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt. Herr W1, hat mitgeteilt, beim Kläger liege eine mittelgradige Depression vor. Er sei in der Lage, noch leichte Tätigkeiten drei bis sechs Stunden täglich zu verrichten (Schreiben vom 06.10.2018). D, hat die an den Behandlungstagen gestellten Diagnosen aufgelistet (Schreiben vom 17.10.2018).
Anschließend hat das SG beim G von Amts wegen ein Gutachten eingeholt. In dem Guta...