nicht rechtskräftig
Verfahrensgang
SG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 08.09.1998; Aktenzeichen S 6 VG 559/98) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 8. September 1998 sowie der Bescheid des Beklagten vom 18. September 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 1998 aufgehoben.Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Entschädigungsleistungen nach dem OEG wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung seit 6. September 1996 zu gewähren.
Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) wegen eines sog. Schockschadens.
Die am 21.05.1957 geborene Klägerin war seit 21.05.1987 mit dem Röntgenfacharzt (O.) verheiratet. Aus der Ehe gingen die am 12.08.1988 geborene Tochter K. und der am 02.03.1990 geborene Sohn M. hervor. Seit Anfang 1995 lebten die Eheleute getrennt. Durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - vom 02.05.1996 wurde die Ehe der Klägerin mit O. geschieden und ihr zugleich die elterliche Sorge für die beiden Kinder übertragen. Dagegen legte O. Berufung beim Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe ein. In der Verhandlung vom 02.05.1996 schlossen die Klägerin und O. eine Vereinbarung, wonach O. u.a. in der Zeit vom 22.08. bis 07.09.1996 die Kinder zu sich nehmen dürfe. O. hatte in seinem Antrag vom 03.04.1996 auf Regelung des Umgangsrechts in dieser Zeit im Wege der einstweiligen Anordnung u.a. vorgebracht, er wolle in dieser Zeit mit den Kindern, wie im Jahr zuvor, in Mallorca Urlaub machen und den Flug rechtzeitig buchen. Am 22.08.1996 nahm O. die Berufung gegen das Scheidungsurteil, die sich möglicherweise nur auf die Sorgerechtsregelung bezogen hatte, zurück und flog am folgenden Tag mit den Kindern nach Mallorca. Dort wohnten sie in Appartements. In der Nacht vom 03. auf 04. September 1996 brachte O. beide Kinder um. Die Leichen wurden am 06.09.1996 von Hotelangestellten aufgefunden. Ein Mitarbeiter des Reiseunternehmens Neckermann unterrichtete die Klägerin am 06.09.1996 fernmündlich von der Ermordung ihrer Kinder. Am 07.09.1996 wurde O. auf Mallorca von der spanischen Polizei verhaftet.
Am 11.11.1996 beantragte die Klägerin beim Versorgungsamt Freiburg (VA) Beschädigtenversorgung nach dem OEG, weil sie aufgrund der Ermordung ihrer Kinder an Nervosität, Angstzuständen, Schlaflosigkeit und weiteren allgemeinen Gesundheitsstörungen, z.B. Gastritis, leide und seitdem arbeitsunfähig krank sei. Das VA holte bei Dr. V., Internist, die Auskunft vom 04.06.1997 ein, wonach ihn die Klägerin seit 09.10.1996 wegen einer schweren reaktiven Depression konsultiert habe. Ob die von ihm angeratene psychotherapeutische Behandlung statgefunden habe, sei ihm nicht bekannt. Das VA ließ die Klägerin dann durch Dr. B., Nervenarzt, begutachten. Er diagnostizierte im Gutachten vom 29.06.1997 als Folge des Tötungsdelikts des O. an den gemeinsamen Kindern eine posttraumatische Belastungsstörung (PTB), weil eine vorbestehende, länger anhaltende Stresserkrankung aufgrund der ehelichen Situation sich wesentlich verstärkt habe. Die PTB habe über ein Jahr angehalten mit leicht abklingender Tendenz seitens der funktionellen Beschwerdesymptomatik. Die jetzige Symptombildung sei wesentlich überlagert von dem schon vor der Gewalttat bestehenden chronischen Konfliktfeld. Dr. B. bewertete die durch die PTB bedingte MdE vom 06.09.1996 bis 31.07.1997 mit 30 v.H., anschließend mit 20 v.H. Dr. K. stimmte dieser Beurteilung in seiner versorgungsärztlichen (vä) Stellungnahme vom 03.07.1997 zu. Mit Bescheid vom 18.09.1997 lehnte das VA die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG ab, weil die von der Verwaltung zu der Schockschadenrechtsprechung des BSG (BSGE 49, 98 f.) für die Entschädigung von Drittgeschädigten nach dem OEG aufgestellten Grundsätze einen unmittelbaren örtlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Schädigungstatbestand und dem Schaden beim Dritten erforderten. Hierfür reiche das Überbringen der Todesnachricht nicht aus.
Dagegen legte die Klägerin am 06.10.1997 Widerspruch ein mit der Begründung, die zitierte Entscheidung des BSG betreffe gerade einen Fall, in dem der Schockschaden einer Mutter durch das Überbringen der Nachricht von der Ermordung der Tochter eingetreten sei; Rheinland-Pfalz und Bayern würden dem Rundschreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 06.08.1996, auf dem die vom VA genannten Einschränkungen beruhten, nicht folgen. Das Landesversorgungsamt Baden-Württemberg vertrat daraufhin die Auffassung, dem Widerspruch der Klägerin solle abgeholfen werden und machte eine entsprechende Vorlage an das Sozialministerium Baden-Württemberg, das hierzu die Stellungnahme des BMA vom 20.01.1998 einholte. Das...