Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermächtigung zur Diagnostik und konsiliarischen Beratung vom Demenzkranken
Normenkette
SGB V § 116 Satz 2
Tenor
Auf die Berufung des Beigeladenen zu 1) wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 06. Mai 1998 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin hat dem Beklagten und dem Beigeladenen zu 1) die außergerichtlichen Aufwendungen für beide Rechtszüge zu erstatten. Im übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist die Ermächtigung des Beigeladenen zu 1) zur Diagnostik und konsiliarischen Beratung vom Demenzkranken.
Der 1957 geborene Beigeladene zu 1) hat am 06.06.1990 die Anerkennung als Nervenarzt und am 07.08.1991 die Genehmigung zum Führen der Zusatzbezeichnung "Psychotherapie" erhalten. Mit Urkunde vom 13.09.1995 bescheinigte ihm die Bezirksärztekammer Südwürttemberg die fakultative Weiterbildung in klinischer Geriatrie, einem Teil des Gebiets der Psychiatrie. Seit 1991 ist er am Zentrum für Psychiatrie W. im Bereich der Erwachsenenpsychiatrie als Leiter des Funktionsbereichs Gerontopsychiatrie tätig.
Am 03.12.1996 beantragte der Beigeladene zu 1) die Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung für die Behandlung einer selektierten Gruppe von Alzheimer-Patienten. Bei einem Teil der Alzheimer-Patienten sei eine vorübergehende poststationäre Behandlung angezeigt, um die Behandlungskontinuität zu wahren und durch rechtzeitige ambulante Intervention erneute Hospitalisierung zu vermeiden. Ein kleiner Teil der Patienten werde wegen der Komplexität der psychiatrischen Symptomatik immer wieder im Krankenhaus behandelt, so dass auch eine punktuelle Weiterbetreuung zwischen den Aufenthalten sinnvoll sei. Insgesamt handele es sich um nicht mehr als 60 Patienten im Einzugsgebiet, für die die beantragte Ermächtigung hilfreich wäre. Die niedergelassenen Ärzte behandelten die derart schwierigen Patienten mit Unruhe, Halluzinationen oder Verhaltensproblemen nicht ausreichend und führten auch nicht in ausreichendem Maße Hausbesuche durch. Von den niedergelassenen Allgemeinärzten werde häufig der Wunsch nach einer Alzheimer-Ambulanz am Krankenhaus geäussert. Der gleichen Ansicht seien auch die Selbsthilfegruppen für pflegende Angehörige von Alzheimer-Kranken. Hierzu legte er ein Schreiben der Selbsthilfegruppe für Angehörige Alzheimer-Kranker R. und B. vom 29.11.1996 vor.
Die Klägerin befragte daraufhin neun im Zulassungsbezirk Ravensburg ansässige Nervenärzte, wie sie den Bedarf für eine spezielle Alzheimer-Ambulanz sähen. Sollte keine Antwort erfolgen, werde dies als Einverständnis gewertet. Zwei der angeschriebenen Nervenärzte begrüßten die Teilnahme des Beigeladenen zu 1) an der vertragsärztlichen Versorgung von Alzheimer-Patienten, zwei weitere Ärzte verneinten die Notwendigkeit einer Alzheimer-Ambulanz, die übrigen beantworteten das Schreiben nicht.
Durch Beschluss vom 25.03.1997/Bescheid vom 29.04.1997 lehnte der Zulassungsausschuss für Ärzte den Antrag des Beigeladenen zu 1) ab. Der Planungsbereich umfasse 261.446 Einwohner. Bei einer Verhältniszahl von 1: 27.920 seien zwanzig Nervenärzte niedergelassen, was zu einem Versorgungsgrad von 213,6% führe. Der Planungsbereich sei für die Zulassung weiterer Nervenärzte gesperrt. Allein in der Stadt R; mit 46.620 Einwohnern seien zwölf niedergelassene Nervenärzte an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligt. In qualitativer Hinsicht sei nicht nachvollziehbar, inwieweit der Beigeladene zu 1) andere Leistungen anbieten könne als andere niedergelassene Nervenärzte. Der Zulassungsausschuss sei zu dem Ergebnis gekommen, dass es gegen die Alzheimer'sche Erkrankung derzeit keine Therapiemöglichkeiten gebe. Die Hauptprobleme in der Betreuung von Alzheimer-Patienten ergäben sich eher aus dem sozialen Umfeld der Patienten und im Rahmen der Betreuung durch Angehörige. Diese Probleme könnten aber eher im heimatnahen Umfeld der Patienten vor Ort gelöst werden, als durch eine Krankenhausambulanz.
Mit seinem Widerspruch machte der Beigeladene zu 1) geltend, trotz der hohen Niederlassungszahlen sei es für Angehörige und Hausärzte nicht leicht, kurzfristig ambulante Untersuchungstermine für Alzheimer-Patienten zu bekommen. Sofern Hausbesuche überhaupt absolviert würden, müsse darauf drei bis vier Wochen gewartet werden. Er erhalte seit langem regelmäßige Anfragen wegen ambulanter Untersuchungstermine. Dabei handele es sich durchweg um engagierte und erfahrene Kollegen, die sich mit einer kleinen Gruppe von Patienten hilflos und überfordert fühlten. Solche Verhältnisse seien auch aus anderen ähnlich gut versorgten Regionen bekannt. In qualitativer Hinsicht seien die Ausführungen des Zulassungsausschusses fehlerhaft. Es gebe zwar keine kausalen und kurativen Behandlungsmöglichkeiten gegen die Alzheimerkrankheit, die den Prozess umkehren oder zum Stillstand bringen könnten, es gebe hingegen viele differenzierte Behandlungsmöglichkeiten zur Modifikation des Verlaufs und zur Leidensminderung. Dur...