Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es steht der Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 nicht entgegen, wenn das Vollbild einer belastungskonformen Bandscheibenschädigung (hier Fallkonstellation B 2 der Konsensempfehlungen) erst nach Aufgabe der wirbelsäulenschädigenden Tätigkeit entstanden ist, sofern das Fortschreiten der Bandscheibendegeneration nach Expositionsende noch der belastungsinduzierten Bandscheibenschädigung zuzuschreiben ist (hier: unter Belastung bei L4/5 progrediente Protrusion und nach Expositionsende Prolapsbildung).

2. Eine kumulative Belastung aus Hebe-/Tragelasten und Körperschwingungen begründet auch dann eine rechtlich beachtliche Einwirkungskausalität für die Feststellung beider Berufskrankheiten nach Nrn. 2108 und 2110, wenn bereits die Belastungsdosis einer der Expositionen allein für die Feststellung der betreffenden Berufskrankheit ausreicht

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 5. Februar 2007 sowie der Bescheid der Beklagten vom 25. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juni 2006 abgeändert. Die Beklagte wird verpflichtet, beim Kläger eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 und Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV festzustellen und ihm deswegen Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. ab 7. Dezember 2002 zu gewähren.

Die Beklagte hat dem Kläger drei Viertel der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits beider Rechtszüge zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist zuletzt streitig, ob beim Kläger eine als Berufskrankheit (BK) anzuerkennende bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule (BK-Nr. 2108, Nr. 2110) vorliegt und Verletztenrente zu gewähren ist.

Der 1944 geborene Kläger beantragte mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 23.02.2005 die “Gewährung von Leistungen nach Ziff. 2108 bis 2110„ der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) und machte hierzu geltend, von 1958 bis 1985 habe er als Arbeiter in verschiedenen Betrieben gearbeitet und vom 25.02.1985 bis 30.06.1995 sei er als Baggerfahrer und Maschinenführer tätig gewesen; vom 17.07.1995 bis 06.12.2002 sei er ausschließlich als Maschinenführer beschäftigt gewesen. Wegen Bandscheibenbeschwerden sei er in fachärztlicher Behandlung gewesen. Die Beschwerden seien an der Lendenwirbelsäule aufgetreten. Ab Dezember 2002 war der Kläger arbeitslos.

Die Beklagte forderte von den den Kläger behandelnden Ärzten Arztunterlagen an. Der Arzt für Radiologie Dr. B. führte in seinem Schreiben vom 14.01.1991 aus, beim Kläger liege eine Bandscheibendegeneration, vor allem in der Etage L2/3 mit zirkulärer dorsaler Bandscheibenprotrusion vor. Mäßige linksbetonte Protrusion der Bandscheibe L4/5. Keine Sequestrierung. Bei seiner Untersuchung vom 06.12.1991 (Befundbericht von Dr. B. - ohne Datum -) habe sich bei L4/5 eine raumfordernde Protrusion innerhalb des Foramen intervertebrale auf der linken Seite ergeben; der knöcherne Spinalkanal sei mit 12 mm Sagittaldistanz nur grenzwertig weit und auch relativ schmal angelegt. Es liege eine intraforaminäre Bandscheibenprotrusion L4/5 li.-seitig vor. Der Befund sei im Vergleich zu den Voraufnahmen jetzt deutlicher abgrenzbar und etwas ausgeprägter. Im Bereich L5/S1 lägen auch hier noch ausreichende Sagittaldistanzwerte des knöchernen Spinalkanales vor, kein Vorfall von Bandscheibengewebe. Mit Schreiben vom 06.09.2001 führte Dr. B. aus, im Segment L2/L3 liege eine ausgeprägte Verschmälerung des Zwischenwirbelraumes vor, die Bandscheibe überrage die knöchernen Strukturen in vollständiger Zirkumferenz und es liege eine leichte Beeinträchtigung der Neuroforamina vor. Der Duralsack sei tangiert und leicht imprimiert. Vakuumphänomen. Kräftige spondylotische Wirbelkörperkantenausziehungen. Im Segment L3/L4 überrage die Bandscheibe die knöcherne Struktur nur geringgradig, Facettenbildung. Im Segment L4/L5 überrage die Bandscheibe die knöchernen Strukturen ebenfalls in vollständiger Zirkumferenz, auch hier Facettenarthropathie der Kleinwirbelgelenke mit verdickten Ligamenta flava, so dass es zu einer Einengung des knöchernen Spinalkanales komme. Im Segment L5/S1 liege im Wesentlichen ein unauffälliger Befund vor. Insgesamt liege kein Nachweis einer Bandscheibensequestrierung vor. Priv. Doz. Dr. N., L., führte am 12.01.2004 eine Computertomographie der Lendenwirbelsäule durch. In seinem Bericht vom 13.01.2004 gelangte er zu der Beurteilung, es lägen schwere Osteochondrosen in Höhe LWK 2/3 mit Olisthesia in Höhe LWK 2/3, Defekte in der Interpartikularportion Wirbelbogen L2 vor. Insgesamt liege eine lumbale Bandscheibenprotrusion vor. Die Fachärztin für Neurologie Dr. M., L., führte in ihrem Bericht vom 31.03.2004 aus, beim Kläger lägen rezidivierende Lumbalgien und Ischialgien bei schweren degenerativen LWS-Veränderungen mit Spinalkanalstenose vor. Der Facharzt für Neurochirurgie Dr. Ch. S., L., führte in seinem Bericht vom 21. Juli 2004 aus, der seit Februar...

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