Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Ablehnungsgesuch. Verfahrensverzögerung. Beschwerdewert. Krankenversicherung. Krankengeld. Bezug einer Teilrente vor Entstehung der Arbeitsunfähigkeit. keine Kürzung des Krankengeldanspruchs
Leitsatz (amtlich)
1. Ablehnungsgesuche dienen offensichtlich allein der Verfahrensverzögerung, wenn sie ersichtlich nur der Erreichung einer Terminsaufhebung der zeitlich unmittelbar bevorstehenden mündlichen Verhandlung dienen.
2. Für die Bestimmung des Beschwerdewerts iSv § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG ist auf das begehrte Bruttokrankengeld abzustellen.
3. Der Bezug einer Teilrente (§ 42 Abs 1 SGB VI) vor der Entstehung einer Arbeitsunfähigkeit steht einem ungekürzten Krankengeldanspruch nicht entgegen.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 23. Juni 2020 abgeändert. Die Beklagte wird weiter verurteilt, dem Kläger auch für die Zeiträume vom 17. Oktober 2017 bis zum 6. Dezember 2017 sowie vom 18. Dezember 2017 bis 2. April 2018 Krankengeld zu gewähren.
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Krankengeld über den 25. September 2017 hinaus streitig.
Der 1947 geborene Kläger, der seit 1. April 2017 freiwilliges Mitglied der Beklagten ist, bezog aufgrund seines am 3. August 2012 beim Rentenversicherungsträger (Deutsche Rentenversicherung ≪DRV≫ Bund) gestellten Antrags seit dem 1. November 2012 eine Regelaltersrente, die als Teilrente in Höhe von 2/3 der Vollrente gewährt wurde (Rentenbescheide der DRV Bund vom 29. August 2014 - nachdem ursprünglich mit Bescheid vom 15. Juli 2014 fehlerhaft eine Regelaltersrente in voller Höhe bewilligt wurde -, vom 21. Oktober 2016 und 23. August 2017). Den Bezug einer Altersteilrente gab der Kläger bei seinem Aufnahmeantrag vom 31. März 2017 gegenüber der Beklagten an und verwies hierbei auf einen (nicht in der von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte befindlichen) beigefügten Rentenbescheid. Seinen Antrag vom 9. April 2018, ab April 2018 als Rentner in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) versichert zu werden, lehnte die Beklagte wegen der nichterfüllten Vorversicherungszeit ab (Bescheid vom 12. April 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Juni 2018). Sowohl die Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG; Az.: S 8 KR 1502/18) als auch die Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg (Senatsurteil vom 20. Juli 2020 - L 4 KR 1755/19) blieben erfolglos.
Bereits am 18. November 2016 nahm der Kläger eine versicherungspflichtige Beschäftigung als kaufmännischer Leiter sowie als Marketingmanager bei der „B. B. und S. UG“ (im Folgenden: BBS) auf, nachdem er am 3. November 2016 mit der BBS, vertreten durch die Geschäftsführerin R., einen Anstellungsvertrag geschlossen hatte. Zu seinen Aufgaben zählten das Erstellen von Vertriebskonzepten und Finanz- sowie Wirtschaftlichkeitsprognosen für die Einführung neuer Beratungsprogramme für Hilfsprojekte weltweit. Einbezogen sei die vollständige Absolvierung von Seminarprogrammen, die von der deutschen Entwicklungshilfe durch seine Tochtergesellschaften durchgeführt würden. Des Weiteren werde die Erbringung von Dienstleistungen, die direkt und indirekt in die Bereiche Unternehmensberatung einschließlich eigenverantwortlicher Projektleitung und Betreuung gehörten, erwünscht. Einbezogen sei dabei auch die mögliche Auftragsvermittlung. Das Gehalt betrage pro Monat 1.500 €. Zusätzlich erfolge eine Erfolgsprovision von 50 % der abgeschlossenen Aufträge. Den Gehaltsabrechnungen würden 80 Monatsstunden zu Grunde gelegt, unabhängig von den tatsächlichen Arbeitstagen des jeweiligen Monats. Der Jahresurlaubsanspruch betrage 30 Arbeitstage und es werde ein Diensthandy sowie ein Dienstfahrzeug (auch zur privaten Nutzung) zur Verfügung gestellt; bezüglich der weiteren Einzelheiten des Anstellungsvertrags vom 3. November 2016 wird auf Bl. 37/38 der LSG-Akte Bezug genommen. Die Beschäftigung begann am 18. November 2016. Der Kläger bezog sodann ein variierendes Gesamtnettogehalt zwischen monatlich 1.212,37 € und 5.742,36 €, das in bar ausgezahlt wurde; auf die Entgeltabrechnungen von November 2016 bis März 2018 wird Bezug genommen (Bl. 129 bis 145 der SG-Akte). Am 8. März 2018 kündigte die BBS das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich. In dem sich daran anschließenden arbeitsgerichtlichen Verfahren beim Arbeitsgericht V (vormaliges Az.: 8 Ca 1…/18; nach Verbindung zu einer Auskunftsklage: 8 Ca 1…/18) wurde die Kündigungsschutzklage abgewiesen und der Kläger verurteilt, u.a. Auskunft über die Geschäftsvorgänge für die Zeit vom 18. November 2016 bis 9. April 2018 zu geben (Versäumnisurteil vom 9. April 2018). Nach Einspruch des Klägers - allein bezogen auf seine Verurteilung zur Auskunftspflicht - stellte das Arbeitsgericht V mit Teilurteil vom 13. Juni 2018 fest, dass das Versäumnisur...