Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnung eines Gründungszuschusses. Vermittlungsvorrang. Inhalt der Eingliederungsvereinbarung. Erforderlichkeit des Gründungszuschusses. Ermessensausübung bzw -fehlgebrauch. Selbstständige Tätigkeit als Rechtsanwalt. Ermessensreduzierung auf Null. Schutzwürdiges Vertrauen. Fähigkeit, selbst für Lebensunterhalt und soziale Sicherung zu sorgen. Sparsame Verwendung von Beitragsmitteln
Leitsatz (amtlich)
1. Die Ablehnung eines Gründungszuschusses mit der Begründung, vorrangig vor der Selbständigkeit sei die erfolgversprechende Vermittlung in ausreichend vorhandene abhängige Beschäftigungsverhältnisse gewesen, ist ermessensfehlerhaft, wenn in einer Eingliederungsvereinbarung als Eingliederungsziel die selbständige Tätigkeit (hier: als Rechtsanwalt) festgelegt wurde und die Bundesagentur sich darin ausdrücklich nicht zur Vermittlung verpflichtet hat sowie bis zur Aufnahme der Selbständigkeit erkennbar auch so verfahren ist.
2. In besonders gelagerten Fällen (hier: bereits vorangegangene mehrjährige Tätigkeit als Student und Rechtsreferendar in der gleichen Kanzlei und Übernahme des Kundenstamms) kann in der Ablehnungsentscheidung ermessensfehlerfrei die als belegt angesehene ausreichende soziale Sicherung und des Lebensunterhalts in der Zeit nach der Existenzgründung berücksichtigt werden."
Normenkette
SGB III §§ 93, 94 Abs. 1, § 4 Abs. 2; SGB I § 39 Abs. 1 S. 1; SGG § 54 Abs. 2 S. 2
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 25. Februar 2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung eines Gründungszuschusses zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit als Rechtsanwalt streitig.
Der 1983 geborene Kläger stand vom 03.05.2010 bis 31.05.2012 als Rechtsreferendar (in einem besonderen öffentlich-rechtlichen) Ausbildungsverhältnis beim Landgericht F. und bezog in dieser Zeit ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt in Höhe von zuletzt (Mai 2012) 1052,08 € (Arbeitsbescheinigungen der Oberfinanzdirektion K. vom 23.04.2012 und 13.06.2012). Mit Urkunde der Pfälzischen Rechtsanwaltskammer Z. vom 25.06.2012 wurde der Kläger zur Rechtsanwaltschaft und als Rechtsanwalt zugelassen.
Der Kläger meldete sich am 06.03.2012 mit Wirkung zum 01.06.2012 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld I (Alg). Mit Bescheid vom 22.06.2012 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alg ab 01.06.2012 in Höhe von monatlich 482,10 € mit einer Anspruchsdauer von 360 Tagen.
Beim Erstgespräch bei der Arbeitsvermittlung der Agentur M. am 06.03.2012 wurde als Ausgangslage davon ausgegangen, dass der Kläger mit einer selbständigen Tätigkeit beginnt. In der bis 05.09.2012 gültigen Eingliederungsvereinbarung vom 06.03.2012 wurden als Leistung der Agentur für Arbeit die Beratung zum Thema Selbstständigkeit/Gründungszuschuss und als Bemühungen des Klägers die Aufnahme einer Selbstständigkeit zum August 2012 aufgenommen. Ein Gründungszuschuss wurde gegenüber dem Kläger beim Erstgespräch am 06.03.2012 sowie am 06.06.2012 (mündlich) abgelehnt (Beratungsvermerke vom 06.03.2012 und 06.06.2012). Vermittlungsvorschläge wurden dem Kläger nicht unterbreitet (Allgemeiner Vermerk vom 03.08.2012).
Am 13.07.2012 beantragte der Kläger (schriftlich) bei der Agentur für Arbeit M. die Gewährung eines Gründungszuschusses zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit als Rechtsanwalt ab dem 15.07.2012. Er fügte dem Antrag Stellungnahmen der fachkundigen Stelle zur Tragfähigkeit der Existenzgründung der KIC Dr. K. International Consulting GmbH vom 10.06.2012 und 10.07.2012, in denen die Tragfähigkeit der Unternehmung bescheinigt wurde, einen Businessplan für die Tätigkeit als selbstständiger Rechtsanwalt mit Kosten-/Nutzenrechnung (Netto-Gewinn 1. Betriebsjahr monatlich 1581 €, 2. Betriebsjahr 1775 € und 3. Betriebsjahr 2168 €), eine Bestätigung des Finanzamtes S. vom 11.07.2012 über die Anzeige einer freiberuflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt sowie die Zulassungsurkunde der pfälzischen Rechtsanwaltskammer vom 25.06.2012 bei. Zur Gründungsidee hat der Kläger im Businessplan insbesondere mitgeteilt, geplant sei eine selbständige Tätigkeit als Rechtsanwalt in einer bereits seit längerer Zeit am Markt tätigen Anwaltskanzlei in S. Die Zusammenarbeit soll als freier Mitarbeiter ausgestaltet sein. Bereits vor Abschluss seines Studiums im Jahr 2007 sei er für die Kanzlei tätig gewesen. Im Jahr 2008 sei ihm gestattet gewesen, unter Aufsicht Fälle eigenständig zu betreuen. Aus diesem Grund sei er bereits mit vielen Mandanten der Kanzlei bekannt und habe diese auch häufig schon selbst beraten.
Mit Bescheid vom 13.08.2012 entsprach die zwischenzeitlich zuständige Agentur für Arbeit H. dem Antrag des Klägers auf Gewährung eines Gründungszuschusses nicht. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Tatbestandsmerkmale des “§ 57 Abs. 2 SGB III„ für die Gewährung eines Gründungszuschusses seien erfüllt. Es sei eine Ermessense...