Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. zahnärztliche Implantatversorgung. Kostenerstattung. Genehmigungsfiktion. Kostenvoranschlag als fiktionsfähiger Antrag. Zulässigkeit einer telefonischen Ablehnung. Würgereiz keine Indikation

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Eingang eines Kostenvoranschlages bei einer Krankenkasse kann als (fiktionsfähiger) Antrag auf Gewährung einer Sachleistung (hier: Versorgung mit Implantaten) zu werten sein.

2. Die Versorgung mit Implantaten betrifft eine Leistung, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegt.

3. Ein solcher Antrag kann telefonisch abgelehnt werden.

4. Ein durch das Tragen einer Zahnprothese ausgelöster Würgereiz begründet keine Indikation für eine Versorgung mit Implantaten.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 01.11.2017; Aktenzeichen B 1 KR 27/17 B)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des SG Mannheims vom 26.09.2016 (S 9 KR 2135/15) aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger macht einen Anspruch auf Durchführung einer zahnärztlichen Implantatversorgung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung geltend.

Der 1967 geborene, bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Kläger leidet unter einer Kieferatrophie. Am 31.01.2014 erhielt er wegen seiner Zahnlosigkeit Totalprothesen für Ober- und Unterkiefer. Aufgrund eines starken Würgereizes kann er die Prothesen nicht tragen. Im Rahmen einer Begutachtung der ausgeführten prothetischen Leistung durch Dr. R. Z. am 28.02.2014 wurden ein starker Würgereiz festgestellt und Vorschläge zu einer Veränderung der Prothese gemacht; sollte der Würgereiz eine Versorgung des Oberkiefers unmöglich machen, so könne dem Patienten nur durch die Insertion von Implantaten geholfen werden. Auf Vorschlag der Zahnärztin Dr. H. G., die die Prothesen eingegliedert hatte, ließ sich der Kläger im Universitätsklinikum H. hinsichtlich einer Implantatversorgung beraten. Das Universitätsklinikum erstellte am 06.05.2014 einen Behandlungs- und Therapieplan sowie einen Kostenvoranschlag, wonach für die direkt implantatbezogenen Leistungen Gesamtkosten in Höhe von voraussichtlich 9.710,80 Euro entstünden. In dem Kostenvoranschlag hieß es, dass die morphologischen, internistischen, parodontologischen, mundhygienischen und sonstigen Voraussetzungen für eine Implantation mit dem Implantationstyp “Asrtra-Implantate 2012„ vorlägen. Weiter hieß es, Implantatversorgungen “sind aufgrund gesetzlicher und vertraglicher Bestimmungen keine Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen und müssen vom Patienten selbst bezahlt werden. Bitte klären Sie Ihre Erstattungsansprüche gegenüber Ihrer Versicherung, Beihilfestelle oder Krankenkasse ab„. Der Kostenvoranschlag ging bei der Beklagten am 12.05.2014 ein.

Mit Schreiben vom 14.05.2014 beauftragte die Beklagte die KZV Baden-Württemberg, Gutachterstelle, um Begutachtung der vorgesehenen implantologischen Leistungen einschließlich der Suprakonstruktion mit dem Ziel festzustellen, ob eine Ausnahmeindikation gem. § 28 Abs. 9 SGB V und der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses vorliege. Dem Kläger teilte sie unter dem 14.05.2014 mit, dass Zahnimplantate grundsätzlich keine Leistungen der Krankenversicherung seien, dennoch werde geprüft, ob sie sich an den Kosten beteiligen könne; dazu sei über die Kassenzahnärztliche Vereinigung ein Gutachter um eine Stellungnahme gebeten worden.

Auf einem bei der Beklagten am 27.05.2014 eingegangenen Schreiben des Universitätsklinikums, in dem über die Untersuchung des Klägers am 02.05.2014 berichtet wurde, findet sich der handschriftliche Vermerk: “Vers. telef. über Ablehnung informiert. 17.06.14 G. E.„ (Verwaltungsakte Bl. 16). Das Gutachten in Schriftform von Dr. S. Gr. über die Untersuchung am 16.06.2014 ging mit einem auf den 16.06.2014 datierten Begleitschreiben am 24.06.2014 bei der Beklagten ein. Der Gutachter kommt dabei zu der Gesamtbeurteilung, dass eine konventionelle prothetische Versorgung ohne Implantate möglich sei; eine Befürwortung des Behandlungsplanes wird verneint. In einem Schreiben der Beklagten vom 25.06.2014 ohne Rechtsmittelbelehrung an den Kläger heißt es dann, dass “wie Ihnen bereits telefonisch mitgeteilt liegt uns das Gutachten über die Implantatversorgung jetzt vor. Leider können wir uns an den Kosten für Ihre Implantate nicht beteiligen, da keine Ausnahmeindikation vorliegt„. Der Kläger legte mit einem bei der Beklagten am 10.09.2014 eingegangenen Schreiben Widerspruch gegen das Gutachten vom 16.06.2014 ein.

Mit Schreiben vom 15.09.2014 beauftragte die Beklagte die KZV Baden-Württemberg, Gutachterstelle, die vorgesehene Implantatversorgung zu begutachten, mit dem Ziel festzustellen, ob eine Ausnahmeindikation nach § 28 Abs. 2 S. 9 SGB V und den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses vorliege. Unter dem gleichen Datum teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass Zahnimplantate grundsätzlich kei...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge